Ein Arm hält ein Kissen eines Kackhaufen-Emojis hoch © picture alliance / Zoonar | khosro Rajabkordi

NachGedacht: Eine Flut aus Unrat

Stand: 01.11.2024 06:00 Uhr

Wahlen als Fest der Demokratie - ein schöner Gedanke. Allerdings legt sich übler Gestank über die Party, meint Alexander Solloch.

von Alexander Solloch

Irgendwann, so gegen Ende kommender Woche, werden wir fürs Erste erschüttert genug sein über den Wahlsieg von Donald Trump und endlich darum ringen, ein paar Worte zu finden, die das Geschehene hilfreich einordnen. Dann wird sicher irgendeiner kommen und sagen: "Ach, Amerika! Warum bist du nur so dumm?" Als wären wir auch nur halbwegs klüger!

Quatsch reden als Erfolgsrezept

Vielleicht haben wir erleichtert aufgelacht, als Trump im Laufe des Wahlkampfs behauptete, Migranten verspeisten die Haustiere der Einheimischen: Wenn einer so einen verzweifelten Quatsch daherredet, dann ist er doch endgültig erledigt, dachten wir. Dabei liegt genau in diesem Quatsch das Erfolgsrezept. Man merkt das daran, dass die demokratische Kandidatin Kamala Harris ihre anfängliche Gelassenheit und Heiterkeit gänzlich verloren hat und seit einiger Zeit fast nur noch von Trump spricht, davon, wie gefährlich Trump sei, wie sehr Trump die Gesellschaft spalte und dass Trump sich wie ein Möchtegern-Diktator verhalte. Genau so möchte er das haben: Solange von ihm die Rede ist und nur von ihm, ist er der Wichtigste von allen, und der Wichtigste von allen wird Präsident.

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"Das Feld mit Scheiße fluten"

Quatsch als Erfolgsrezept - das lässt sich auch ein bisschen weniger vornehm formulieren. "Man muss das Feld mit Scheiße fluten", hat Trumps früherer Berater Bannon mal erklärt: einfach immer irgendetwas raushauen, egal was, so setzt man Themen, provoziert den Gegner und mobilisiert die eigene Anhängerschaft. Man ist immer in the lead, da niemand die Widerstandskraft aufweist, den Unrat einfach zu ignorieren.

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Amerika setzt die Trends, denen wir dann folgen. "They’re eating our cats and dogs", sagte Trump. Nicht schlecht, dachte CSU-Generalsekretär Martin Huber, der, wie er einst in seiner Dissertation zeigte, gern Zitate verwendet, ohne ihre Urheber zu kennzeichnen. Also postete er ein Video, in dem zu sanften Pianoklängen ein irregeleiteter Hund um ihn herumscharwenzelt und Huber betroffen barmt: "Die Grüne Jugend möchte Haustiere verbieten und euch euren treuen Freund wegnehmen. Was für ein herzloser Irrsinn!"

Trump-Methode auch im Wahlkampf in Deutschland möglich

Da möchte einem doch das Hundebrustfilet aus dem Mund fallen! Das ist so jenseits von allem, was irgendwie mit Respekt vor der Wahrheit und gesundem Menschenverstand zu tun hat, dass man keine Sekunde darauf verwenden sollte, diesen Unrat irgendwie argumentativ noch zu entkräften. Es geht sowieso nicht, es bleibt immer etwas hängen, darauf setzt die Trump-Methode. Sie wird auch unseren demnächst beginnenden Wahlkampf dominieren, und mutmaßlich nicht nur den der Konservativen und Rechten, denen man ein Übermaß an Barmherzigkeit ohnehin nicht zutrauen möchte.

Wahlkampf um das skrupelloseste Ausgrenzen

Dass der Bundeskanzler - ein Sozialdemokrat doch wohl! - allein zu dem Zweck aus seinem dreijährigen rhetorischen Koma erwacht ist, an der Ausgrenzung von Flüchtlingen und der Aufwertung von Grenzen mitzuwirken, raubt einem noch die letzte Zukunftsfreude. Wie immer das ausgeht, es wird schlimm werden: Dieser Wahlkampf wird nicht um Ideen und Konzepte geführt, schon gar nicht um so eine abwegige Frage, wie wir uns denn fürderhin zum Klimawandel verhalten wollen, sondern einzig darum, wer am skrupellosesten ausgrenzen kann. Das Destruktive wird gewinnen.

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Wie Unrat fruchtbar nutzen?

Die Frage ist jetzt, ob sich der Unrat nicht doch irgendwie fruchtbar machen lässt, als Dünger magischen Denkens vielleicht. Die Ängste, die ich nur oft genug ausspreche, verlieren wie Gespenster, die sichtbar gemacht werden, ihre Wirkmacht, ihre Verwirklichungsmacht. Wohlan: Martin Huber ist bald Bundesverkehrsminister, Menschen essen Tiere, und Donald Trump wird wiedergewählt.

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin / des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen. 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NachGedacht | 01.11.2024 | 10:20 Uhr

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