NachGedacht: Wenn die Natur mit voller Wucht wütet
Freitagnacht vor einer Woche bebte in Marokko die Erde. Kurz darauf steht Libyen unter Wasser. Es sind verheerende Katastrophen. Das Zeitfenster für Hoffnung wird immer kleiner, die Solidarität aber immer größer.
Es ist ein Zittern, dann ein Ruck, es knallt, die Erde bebt. Menschen werden aus ihrem Tun gerissen, unvorbereitet. Überlebende suchen verzweifelt nach ihren Familien, nach Freunden, nach ihrem Hab und Gut, nach dem, was sich ihr "Leben" nannte. Nichts ist mehr so, wie es noch Sekunden, Minuten zuvor war. Häuser, Straßenzüge sind zerstört, Dörfer im hohen Atlasgebirge verschüttet, auch Städte wie Marrakesch oder Agadir betroffen. Nur Stunden später tobt ein Hurrikan im benachbarten Libyen: Wassermassen spülen Menschen, Häuser, Autos ins Meer. Als "Jahrhundertkatastrophen" werden bereits beide Naturkatastrophen etikettiert.
Das Klima implodiert schneller als wir damit fertig werden können
Während man in Marokko und kurz darauf in Libyen erst einmal begann, die Lage zu sortieren, fand im indischen Neu Delhi der G20-Gipfel statt. Der Gipfel, der nach dem Finanzkollaps 2008 ins Leben gerufen wurde, um die Welt zu retten. 20 Länder einigten sich auf neue Regeln, nie mehr sollte ein solches Ökonomiedesaster passieren. 15 Jahre später steht die Staatengemeinschaft vor anderen Problemkonstellationen, ringend um Weltfrieden und gerechte Teilhabe auf einem Planeten, der sich gegen Naturkatastrophen stemmen und sich dem akuten Klimawandel stellen muss. Vor Beginn des Gipfels in Neu Delhi mahnte UN-Generalsekretär Guterres, dass das Klima schneller implodiere, als wir mit extremen Wetterereignissen, die jeden Winkel des Planeten treffen, fertig werden können. Und das Naturdrama in Nordafrika zeigt: Die Katastrophen ereignen sich in kürzester Zeit parallel. Hier bebt die Erde, dort wüten Starkregen, Überflutungen.
Wir erinnern uns - das ist erst wenige Wochen her - an die Brände in Griechenland, an die Hagelbälle in Norditalien. Menschen werden durch die Natur und das Klima in existentielle Krisensituationen gerissen. Marokko und Libyen sind Beispiele dafür, dass sich die Trennung von Naturereignis und Klimawandel nicht mehr haarscharf leisten lässt. Klimaforscher erkennen längst einen Zusammenhang, sehen die multikausale Gemengelage von regionaler Geografie, Klimawandel, aber auch Armut, politischen Unruhen, mangelnder Infrastruktur, fehlenden Warnsystemen.
Solidarität in Katastrophengebieten
Menschen müssen auf die mehr oder weniger planbaren und unplanbaren Katastrophen vorbereitet sein. Dafür zu sorgen, ist ein oberstes Ziel der Staatengemeinschaft. Und dann diese Seite vor Ort: Während logistische, internationale Hilfe dringend weiter benötigt wird, helfen Menschen aus eigenem Antrieb, aus Empathie, aus selbst erlebter Not. Die Solidarität aus den libyschen und marokkanischen Nachbarstädten ist tatkräftig und berührend. Einkaufswagen werden in Supermärkten mit Lebensmitteln, Wasservorräten, Windeln gefüllt, Menschen machen sich auf den Weg in die Katastrophengebiete. Hoffentlich erreicht die Hilfe möglichst viele Menschen.