Ein blauer Bleistift liegt auf einigen blauen Blättern Papier. Davor liegen Vergissmeinnicht. © Gedichte_photocase_margie

Blühende Worte: Gedichte, die den Frühling lebendig machen

Stand: 11.03.2025 10:36 Uhr

Wenn die Temperaturen steigen und die Pflanzenwelt sich regt, dann stellen sich auch Frühlingsgefühle ein. Viele Poetinnen und Poeten haben dem Frühling ein Gedicht gewidmet. Eine Auswahl finden Sie auf dieser Seite.

Der meteorologische Frühlingsbeginn war bereits am 1. März und so langsam naht auch der kalendarische Frühlingsbeginn (20. März). Vor allem die Romantiker würdigten das Aufblühen der Natur in ihrer Poesie. Gedichte wie Eduard von Mörikes "Er ist's" mit der berühmten ersten Zeile "Frühling lässt sein blaues Band" sind tief im kollektiven Gedächtnis verankert. Doch nicht nur die Romantiker verehrten den Frühling.

Kurt Tucholsky wusste eine scharfe Feder zu führen, dennoch hatte er auch einen feinen Sinn für alles Natürliche. Dass der Frühling immer auch mit einer Freudensbotschaft verbunden ist, zeigt die Lyrikerin Elisabeth Langgässer. Sie hatte gerade den Holocaust überlebt, blieb aber noch eine Weile ahnungslos, was aus ihrer Tochter Cordelia geworden war. Im Frühling 1946 erhielt sie die Nachricht, dass die Tochter wohlbehalten in Schweden lebte. Unter diesem Eindruck entstand ihr Gedicht mit dem Titel "Frühling 1946".

Theodor Fontane - "Herze, wag's auch du"

Nun ist er endlich kommen doch
In grünem Knospenschuh;
"Er kam, er kam ja immer noch"
Die Bäume nicken sich's zu.

Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuß auf Schuß;
Im Garten der alte Apfelbaum,
Er sträubt sich, aber er muß.

Wohl zögert auch das alte Herz
Und atmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt; "Es ist erst März,
Und März ist noch nicht Mai."

O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh:
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag's auch du.

Kurt Tucholsky - "Frühling"

Lenz! Dich hätten wir beinah vergessen!
Frisch und kühn
sprießt inmitten dem Randal indessen
junges Grün.

Blätter stecken ihre zarten Spitzen
hastend aus.
wie sie schmuck auf ihren Ästen sitzen!
Feucht und kraus!

Und sie sehen: Bunte Tumultanten!
Militär!
Sehen wildgewordene Adjutanten –
Welch ein Heer!

Und sie sehen: Grad die falschen Leute
packts Gericht.
Doch die großen Diebe … Heute?
Heute nicht.

Und die jungen Blätter blitzen
Und sie denken sich: Was mag das sein?
Könnten sie, sie zögen ihre Spitzen
schleunigst wieder ein –!

Elisabeth Langgasser - "Frühling 1946"

Holde Anemone,
Bist du wieder da
Und erscheinst mit heller Krone
Mir Geschundenem zum Lohne
Wie Nausikaa?

Windbewegtes Bücken,
Woge, Schaum und Licht!
Ach, welch sphärisches Entzücken
Nahm dem staubgebeugten Rücken
Endlich sein Gewicht?

Sah in Gorgos Auge
Eisenharten Glanz,
Ausgesprühte Lügenlauge
Hört ich flüstern, daß sie tauge,
Mich zu töten ganz.

Anemone! Küssen
Lass mich dein Gesicht:
Ungespiegelt von den Flüssen
Styx und Lethe, ohne Wissen
Um das Nein und Nicht.

Aus dem Reich der Kröte
Steige ich empor,
Unterm Lid noch Plutons Röte
Und des Totenführers Flöte
Grässlich noch im Ohr.

Ohne zu verführen,
Lebst und bist du da,
Still mein Herz zu rühren,
Ohne es zu schüren - Kind Nausikaa!

Eduard Mörike - "Er ist's"

Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist´s!
Dich hab ich vernommen!

Heinrich Heine - "Leise zieht durch mein Gemüt"

Leise zieht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute.
Klinge, kleines Frühlingslied.
Kling hinaus ins Weite.

Kling hinaus, bis an das Haus,
Wo die Blumen sprießen.
Wenn du eine Rose schaust,
Sag, ich laß sie grüßen.

Annette von Droste-Hülshoff - "Frühling"

Die Rebe blüht, ihr linder Hauch
Durchzieht das thauige Revier,
Und nah' und ferne wiegt die Luft
Vielfarb'ger Blumen bunte Zier.

Wie's um mich gaukelt, wie es summt
Von Vogel, Bien' und Schmetterling,
Wie seine seidnen Wimpel regt
Der Zweig, so jüngst voll Reifen hing.

Noch sucht man gern den Sonnenschein
Und nimmt die trocknen Plätzchen ein;
Denn Nachts schleicht an die Gränze doch
Der landesflücht'ge Winter noch.

O du mein ernst gewalt'ger Greis,
Mein Säntis mit der Locke weiß!
In Felsenblöcke eingemauert,
Von Schneegestöber überschauert,
In Eisespanzer eingeschnürt:
Hu! wie dich schaudert, wie dich friert!

Hugo Ball - "Frühlingstänzerin"

In deinen Blicken wiegt sich der Frühling.
Rosengeflecht und ein Apfelzweig
Schaukeln ihn duftend einher.

Auf deiner Lippen Granat- und Marmorsitz
Streiten zehntausend Lerchen in süßem Tumult
Wähnend sie säßen im Morgenrot.

Wo deine lieblich errötenden Füße schreiten,
Schlägt aus dem Boden ein holder Schwall von Musik
Und erstürmt sich den Himmel.

Wippend dem zierlichen Schmetterling gleich
Schreitest du tanzerhobenen Arms
Wie über schwankendes Seil.

Wenn deine tastenden Brüste den Atem der Gärten verspüren,
Heben und senken sie sich, zugespitzt,
In verworrnen Gedanken.

Zierlich ist deine Seele, dem Rotkehlchen gleich,
Und so ängstlich, daß sie bei plötzlichem Wort
Flatternd im Käfig sich stößt.

Richard Dehmel - "Der Frühlingskaspar"

Weil nun wieder Frühling ist,
Leute,
streu ich butterblumengelber Kasper
lachend
lauter lilablaue Asternblüten
hei ins helle Feld!

Lilablaue Astern, liebe Leute,
Astern
blühn im deutschen Vaterland bekanntlich
bloß im Herbst.

Aber Ich, ich butterblumengelber Kasper,
streue,
weil nun wieder heller Frühling ist,
tanzend tausend dunkelblaue Asternblüten
hei in alle Welt!

Erich Mühsam - "Wollte nicht der Frühling kommen?"

Eine ganze Wiese voller Krokusse. © NDR Foto: Antje Wendel aus Sassnitz
Krokusse wohin man schaut - Foto von Antje Wendel aus Sassnitz.

Wollte nicht der Frühling kommen?
War nicht schon die weiße Decke
von dem Rasenplatz genommen
gegenüber an der Ecke?

Nebenan die schwarze Linde
ließ sogar schon (sollt ich denken)
von besonntem Märzenwinde
kleine, grüne Knospen schwenken.

In die Herzen kam ein Hoffen,
in die Augen kam ein Flüstern -
und man ließ den Mantel offen,
und man blähte weit die Nüstern …

Ja, es waren schöne Tage.
Doch sie haben uns betrogen.
Frost und Sturm und Schnupfenplage
sind schon wieder eingezogen.

Zugeknöpft bis an den Kiefer
flieht der Mensch die Gottesfluren,
wo ein gelblichweißer, tiefer
Schnee versteckt die Frühlingsspuren.

Sturmwind pfeift um nackte Zweige,
und der Rasenplatz ist schlammig.
In mein Los ergeben neige
ich das Auge. Gottverdammich!

Ludwig Uhland - "Lob des Frühlings"

Saatengrün, Veilchenduft,
Lerchenwirbel, Amselschlag,
Sonnenregen, linde Luft!
Wenn ich solche Worte singe,
braucht es dann noch große Dinge,
Dich zu preisen, Frühlingstag!

 

Weitere Informationen
Die ersten Krokusse © NDR Foto: Jan Zastrow aus Schwerin

Der Frühling: Liebling der Poeten - von der Romantik bis heute

Endlich werden die Tage heller und wärmer. Zum Frühlingsanfang am 20. März wollen wir uns ein bisschen poetisch einstimmen. mehr

Märzenbecher blühen im Wald. © Screenshot
1 Min

Meteorologischer Frühlingsanfang im Norden

Es fühlt sich schon ein bisschen an wie Frühling und die ersten Sonnenstrahlen tun richtig gut. 1 Min

Gemälde von Goethe in der Campagna, verfremdet im Warhol-Stil. © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images

Lauter Lyrik

NDR Kultur präsentiert täglich mit "Lauter Lyrik" eine klingende Liebesschule für Wörternarren im Programm. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Lauter Lyrik | 20.03.2025 | 10:40 Uhr

Nahaufnahme von Notenblättern mit lila und roter Beleuchtung. Darauf liegt der Schriftzug "CHOR MUSIK" in großen weißen und rosa Buchstaben. © NDR | istock/getty images

Chormusik - Klangwelten der Vokalmusik entdecken

Tallis Scholars bis Maybebop - Chormusik aus sechs Jahrhunderten von der Renaissance bis zur Gegenwart. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Gustav Peter Wöhler steht auf einer Bühne und redet in ein Mikrofon. Im Hintergrund ist ein Bild von Hannelore Hoger projiziert. © Jürgen Joost

"Tschüß Hannelore!": Hamburgs letzte Verneigung vor Hannelore Hoger

Im vollgepackten St. Pauli Theater haben Weggefährten am Montag die Schauspielerin mit einer Trauerfeier geehrt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage: Wie verteidigen wir uns künftig?