NDR Bigband
Freitag, 29. November 2024, 23:00 bis
00:00 Uhr
Eine Sendung von Henry Altmann
Als er vor Jahren einmal davon sprach, was er sieht, wenn er mit geschlossenen Augen improvisiere und dass der Mittwoch für ihn mit der Farbe Orange verbunden sei, wies ein Zuhörer den Trompeter Tim Hagans darauf hin, dass er möglicherweise Synästhesie habe, eine sensorische Anomalie, bei der sich beispielsweise klangliche Reize unwillkürlich mit visuellen verbinden, und die von Jean Sibelius über Olivier Messiaen bis zu Elvin Jones oder Lady Gaga auch unter Musiker:innen verbreitet ist. Hagans hatte an so etwas noch nie gedacht, doch plötzlich wurde ihm einiges klar.
"Schon als Kind, wenn meine Eltern mich zu einem Konzert mitgenommen haben", erläutert er heute, "spürte ich die Farben. Ich sehe sie nicht, ich spüre sie. Ich spüre, wie Farben aus den unterschiedlichen Instrumenten kommen, aus den Timbres, wie eine stärkere Lautstärke die Intensität der Farben verstärken oder eine zusätzliche Farbe einfügen kann."
Trip durch den Farbenzirkel
In seinem Programm, das er am 13. Oktober 2023 mit der NDR Bigband im Rolf-Liebermann-Studio präsentiert hat, macht Hagans diese individuelle Besonderheit zur strukturierenden Komponente seiner Komposition. "Das erste Movement beschreibt die Bewegung, die Texturen und Vibes, die ich in der Musik als Gelb spüre und verändert sich dann ins Orange. Das zweite Movement beginnt mit Orange und wird zu Rot, alles in etwas aufregenderen Farben. Das Stück baut sich auf zu den dunkleren Farben, zu mehr Bewegung und Dissonanz, und beruhigt sich in Richtung Blau und zu einem hoffnungsvollen Ende in Grün."
Klänge aus der persönlichen Farbenbank
Mit der NDR Bigband hat Tim Hagans, Jahrgang 1954, in den vergangenen 20 Jahren schon häufiger zusammengearbeitet. Er kennt die einzelnen Musiker:innen sehr genau und schätzt das Privileg, mit seinen musikalischen Ideen individuell auf ihre Stärken und Vorlieben eingehen zu können. "Für mich sind diese Kompositionsaufträge für den NDR eine große Ehre", zeigt er sich voll Vorfreude. "Das ist geradezu eine Duke-Ellington-Situation. Ich schreibe ganz spezifisch für diese Musiker, von denen ich in meiner Farbenbank weiß, wie sie klingen, und welche Farben sie entstehen lassen. Alles was ich über die Band weiß und alle Farbassoziationen dazu fließen in diese Komposition ein."