Musikalische Schlüsselfigur des Fin de Siècle: Gabriel Fauré
Claude Debussy sagte über ihn, er sei ein Meister des Anmutigen, und Aaron Copland, er besäße "alle markanten Merkmale des französischen Nationalcharakters: Sinnlichkeit, untadelige Manieren, klassische Zurückhaltung“. Gemeint ist der französische Komponist Gabriel Fauré. Am 4. November jährte sich sein Todestag zum 100. Mal.
Der Place de la Concorde ist einer der fünf königlichen Plätze in Paris und der zweitgrößte in ganz Frankreich. In der Mitte: der Obelisk mit seiner vergoldeten Spitze; er steht in der Blickachse vom Louvre zum Triumphbogen. Die zweite Sichtachse verläuft rechtwinklig dazu: der von Kirche und dem Place de la Madeleine nach Süden über den Fluss Seine zum Palais Bourbon. Dabei ist die Pfarrkirche La Madeleine auf den ersten Blick gar nicht als solche zu erkennen. Denn von außen sieht sie aus wie ein griechisches Pantheon, ein Tempel außen mit Säulen und Relief, innen reichhaltig verziert mit Fresken, Gold und Marmor - und ohne Fenster. Nur durch eine Handvoll Lichtkuppeln wird das Innere des Gebäudes erleuchtet. Von dieser besonderen Stimmung hat sich Fauré für seine Kirchenmusik inspirieren lassen.
Das Requiem - eine sanftmütige Totenmesse
Ab 1874 war Fauré an der Pariser Église de la Madeleine tätig; 1896 wurde er hier Titularorganist, ein Titel, der nur wenigen herausragenden Organisten vorbehalten war. Während dieser Zeit entstand Faurés berühmtestes Werk: das Requiem op. 48, eine Totenmesse, die im Unterschied zu anderen Requien ohne himmlisches Strafgericht und Androhung von Höllenqualen auskommt. Fauré hat also bewusst nicht den gesamten Text der Totenmesse vertont. Denn der Tod sei für ihn kein schmerzliches Erlebnis, sondern vielmehr eine willkommene Befreiung, sagte der Komponist einst selbst über sein Werk.
Das Requiem wurde erstmals am 16. Januar 1888 in La Madeleine aufgeführt - zur Jahresgedächtnisfeier des Architekten Joseph-Michel Le Soufaché. Schillernd und jugendlich mag es geklungen haben, als der Knabenchor der Kirche Faurés Kompositionen in La Madeleine gesungen hat.
Heilige Orte der Inspiration
Kirchen waren für Fauré schon seit seiner Kindheit Rückzugsorte und Orte der Inspiration. Es heißt, als kleiner Junge habe er sich gern in die Kapelle von Montgauzy zurückgezogen - mit Blick auf die Bergwelt der Pyrenäen, wo er im Städtchen Pamiers am 12. Mai 1845 zur Welt gekommen war. Faurés Vater war Volksschullehrer und es deutete anfangs nichts darauf hin, dass aus dem kleinen Gabriel mal ein Musiker werden würde. Die Erzählung geht weiter, dass eine blinde Frau, die in der Kapelle von Montgauzy gebetet hat, den Jungen dort hat Harmonium spielen hören. Sie sei so ergriffen gewesen, dass sie seinen Eltern davon berichtet hat. So wurden Madame und Monsieur Fauré auf sein Talent aufmerksam und schickten ihn im Alter von 9 Jahren nach Paris. Dort begann er an der Kirchenmusikschule von Louis Niedermeyer zu studieren - und konnte Camille Saint-Saëns als seinen Freund und Lehrer gewinnen.
"Cantique de Jean Racine" - ein preisgekröntes Frühwerk
Im Jahr 1865, noch als Student, schrieb Gabriel Fauré das Stück "Cantique de Jean Racine" für einen Kompositionswettbewerb - und gewann den ersten Preis. Textgrundlage ist die Nachdichtung eines ambrosianischen Hymnus’ des französischen Autors Jean Racine. Nicht nur Größen wie das Orchestre de Paris und sein Chor oder der Choir of King’s College Cambridge und sehr viele mehr haben dieses Werk für gemischten Chor und Klavier oder Orgel aufgenommen. Auch ein Jugendchor aus Niedersachen, Qualisma, hat sich dieser Musik gewidmet - begleitet vom Organisten Robin Hlinka und Streichern der Hannoverschen Hofkapelle. Die Leitung hatte Keno Weber.
Der Quilisma Jugendchor Springe, 30 Kilometer südwestlich von Hannover gelegen, ist einer der führenden Jugendchöre Deutschlands: mehrfach preisgekrönt, mit einem stilistisch breiten Spektrum von Alter Musik bis zu Uraufführungen, von A-cappella-Musik über Oratorien bis zu Musiktheaterprojekten. Seit 2022 singt der Chor unter der Gesamtleitung von Tammo Azam. Insbesondere mit seinen groß angelegten Musiktheaterprojekten, zuletzt "Odyssee" (2023), setzt der Quilisma Jugendchor in der Konzertlandschaft in und um Hannover immer wieder interessante und wichtige Akzente. Doch auch im europäischen Ausland war der Chor bereits auf mehreren Konzertreisen zu erleben, beispielsweise in Italien, England und Frankreich.
Schlüsselfigur im Pariser Musikleben
Als Chorleiter, Organist und Pianist war Gabriel Fauré um die Jahrhundertwende schnell zu einer festen Größe im Pariser Musikleben geworden. Er schaffte wie kein anderer den Spagat zwischen Kirchenmusik und der leichteren Unterhaltungsmusik, wie man sie damals gerne in den mondänen Pariser Salons hörte. Hier war Fauré ein gern gesehener Gast - als Pianist ebenso wie als intellektueller Gesprächspartner. Überhaupt lief es gut für Fauré in Paris: Im Jahr 1896 wurde er Professor am Conservatoire de Paris und übernahm eine Kompositionsklasse. Bis 1905 war er parallel dazu noch Titularorganist in La Madeleine, dann stieg er vom Kompositionsprofessor zum Leiter des Konservatoriums auf.
Bis er diesen Posten 1920 wegen vollständiger Ertaubung aufgeben musste, hatte er viel bewegt: den Lehrplan reformiert und große Talente wie Nadia Boulanger und Maurice Ravel in ihrer Entwicklung maßgeblich gefördert. Nur vier Jahre später, am 4. November 1924, starb Gabriel Fauré im Alter von 79 Jahren in Paris an einer Lungenentzündung.
Die ganze Chormusiksendung von Eva Schramm können Sie hier nachhören.