Roboter Pepper befindet sich in einem Flur des Instituts für Informationssystem in Lübeck und schaut hoch. Im Hintergrund wird ein zweiter Roboter seiner Art durch den Gang geschoben. © NDR Foto: Lornz Lorenzen

Abschied von Pepper: "Plattdeutsch bleibt sein Markenzeichen"

Stand: 20.08.2024 12:08 Uhr

In den vergangenen Zeit war es etwas stiller geworden um unseren Roboter Pepper. Tatsächlich haben sich für ihn neue wissenschaftliche Wege ergeben, die mit Plattdeutsch kaum mehr etwas zu tun haben.

Vor einem Jahr war das Projekt "Pepper lernt Platt" unter großem Medienecho gestartet. Wissenschaftler Thomas Sievers vom Institut für Infomationssysteme an der Uni Lübeck hatte es zum Thema seiner Dissertation auserkoren. Doch unter dem Eindruck aktueller Entwicklungen soll der Roboter jetzt in einem anderen Arbeitsumfeld zum Einsatz kommen. Wie es zu dieser "Umprogrammierung" gekommen ist, erläutert der Doktorand im nachfolgenden Interview. Vorab: Es gibt weltweit Bestrebungen, kleinere Sprachen mithilfe von KI-Systemen zu kuratieren. So zum Beispiel in Dänemark. Nach diesen Ansätzen werden wir weiterhin die Augen offen halten und darüber berichten.

Also, von deiner ursprünglichen Fragestellung, von der wir vor einem Jahr gemeinsam ausgegangen sind, also grob gesagt: "Wie kann Pepper als sozialer Roboter Plattdeutsch lernen und die Sprache fördern?" - von der bist du jetzt abgerückt. Warum?

Thomas Sievers: Weil sich bei mir das Forschungsinteresse verlagert hat - mehr hin zu den Schwerpunkten unseres Instituts. Dort stehen mentale Modelle und kognitive Architekturen im Fokus, die letztlich auch in meiner Dissertation vorkommen sollen. Die Kombination von plattdeutscher Sprache und moderner Roboter- und KI-Technik war hauptsächlich eine Idee, um die Themen Robotik und KI erlebbar zu machen und in Bereiche zu tragen, wo sie bislang kaum vorkommen.

Plattdeutsch sprechen, das konnte Pepper sehr schnell. Da hat er in kurzer Zeit enorme Fortschritte gemacht, über die wir hier auch regelmäßig berichtet haben, aber an seinem plattdeutschen Sprachverständnis haperte es von Anfang an. War der Aufwand jetzt für dich als Wissenschaftler am Ende zu groß, oder welche Gründe spielen eine Rolle?

Sievers: Das ist oder wäre sehr aufwendig, weil man für das Verstehen der plattdeutschen Sprache ein eigenes Sprachmodell tatsächlich von Grund auf entwickeln müsste. Das wäre sicherlich eine interessante Aufgabe, ich sehe es aber nicht mehr als mein Schwerpunktthema, da mich andere Dinge aktuell mehr interessieren. Es würde sehr viel Arbeit bedeuten für ein Thema, was, ich sage jetzt mal - hoffentlich, ohne jemandem auf den Fuß zu treten - nur eine sehr begrenzte Anzahl von Menschen interessiert. Es wäre auch hinsichtlich möglicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen nicht sehr ergiebig.

Hattest du dir gedacht, dass dir die aktuellen technologischen Entwicklungen in der KI-Forschung in die Hände spielen würden, es mit ChatGPT einfacher und schneller gehen würde?

NDR-Reporter Lornz Lorenzen spricht mit Roboter Pepper. © NDR Foto: Jorrit Groth
Pepper sei Agent in Sachen plattdeutsch, berichtet er dem Autoren des Blogs

Sievers: Ich war in der Tat überrascht, wie gut nutzbar die Möglichkeiten von ChatGPT zur Erzeugung plattdeutscher Texte ist, ohne dass man dort viel zusätzlichen Aufwand hineinstecken muss. Es ist sicher nicht fehlerfrei, aber für einen Nicht-Experten klingt es eindeutig nach Plattdeutsch.

Aber du verstehst schon, dass ich als Native-Speaker und so, wie wir gestartet sind, ein wenig enttäuscht bin. Ich hatte gehofft, dass uns gerade Pepper als KI-Maschine mit seiner Power in diesem Bereich hätte voranbringen können, eben, weil die Sprache Plattdeutsch nicht von einer Majorität gesprochen wird und neue Technologien genau hier sinnvoll eingesetzt werden könnten.

Hand eine Roboters in Nahaufnahme. © NDR/Lornz Lorenzen Foto: Prompt / Lornz Lorenzen Adobe Firefly 2
Computer entwickelten sich Hand in Hand mit der Atombombe

Sievers: Das verstehe ich. Es gäbe sicherlich zumindest hier im Norden sinnvolle Einsatzbereiche für einen Roboter - oder allgemeiner: ein Sprachmodell - mit der Fähigkeit, Plattdeutsch zu verstehen. Das Problem ist, dass es sehr aufwendig wäre und der Nutzen vermutlich sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht eher überschaubar.

Wenn man das positiv ausdrücken möchte: Wenn Pepper magnetisch wäre, könnte man sagen, er wurde in der Begegnung mit Schülern und Lehrerinnen während des vergangenen Jahres in andere Bereiche hineingezogen, die über das Plattdeutsche hinausgehen. Also Pepper geht dahin, wo man ihn noch dringender benötigen könnte.

Sievers: Das könnte man so sagen, genau. Um es positiv auszudrücken, ich bin dank dieses Plattdeutsch sprechenden Roboters mit mehreren Schulen in Kontakt gekommen, die anfangs auch das Thema Plattdeutsch als Hintergrund hatten, um den Roboter einzuladen. Aber es hat sich recht schnell gezeigt, dass Plattdeutsch da auch am Rande von einigen wenigen betrieben wird. Für mich hat sich herausgestellt, dass das eigentlich Interessante ist, wie die Erwachsenen - aber auch die Kinder - in den Schulen auf den Roboter reagieren und was man damit Sinnvolles anfangen kann. Das ist genau die Richtung, in die ich jetzt weiter forschen möchte.

In welche Richtung soll das gehen? Soll Pepper dann so eine Art Assistenzlehrer im Unterricht werden?

Sievers: Eine Idee ist, dass er tatsächlich insofern assistiert, dass er mit Kleinstgruppen aus einigen wenigen Schülerinnen und Schülern zum Beispiel Englisch und auch andere Fremdsprachen im freien Sprechen trainiert. Das ist etwas, was im normalen Englischunterricht offenbar immer zu kurz kommt. Über die ChatGPT-Anbindung ist es gut möglich, mit ihm frei zu sprechen und das auf dem jeweils gewünschten Niveau mit den vorgegebenen Vokabeln.

Wie würde das konkret aussehen?

Sievers: Das müssen wir noch mal im Detail schauen. Man könnte vielleicht in einen Nebenraum gehen, wobei dann im Englischunterricht bis zu drei oder vier Kinder dort mit dem Roboter Englisch sprechen und dann wieder zurückkommen. So ist es erst einmal angedacht. Das werden wir im September im neuen Schuljahr ausprobieren und testen.

Es gibt schon eine konkrete Schule?

Sievers: Thomas: Ja, ich bin mit der Gemeinschaftsschule in Erfde in Kontakt. Wir haben schon Tests im Fach Englisch gemacht, und das hat gut funktioniert. Es ist klar, dass es nicht mehr Lehrer geben wird in absehbarer Zeit, und von daher ist es ein Gedanke, mal zu gucken, ob man die Lehrer und Lehrerinnen, die es gibt, durch solche Möglichkeiten nicht ein Stück weit entlasten kann, dass der Roboter ihnen einen Teil der Arbeit abnimmt, zum Beispiel beim Vokabeltraining. Es gibt, soweit mir bekannt ist, hier bei uns nichts Vergleichbares, wo Roboter im Klassenzimmer eingesetzt werden.

Was haben die ersten Unterrichtseinheiten mit Pepper als unterstützende Lehrkraft ergeben? Es ist doch ein Unterschied, ob ein Lehrer aus Fleisch und Blut, oder ein Roboter vor mir steht.

Sievers: Ja, es ist definitiv etwas anderes, wenn man von einem Menschen aufgefordert wird, eine Leistung zu erbringen oder gar geprüft wird, oder von einem Roboter. Es gab tatsächlich einen Schüler, der direkt gesagt hat, dass er es vorziehen würden, mit einem Roboter zu lernen.

Und was Pepper von den Plattdeutschen bisher gelernt hat, das wird er nicht vergessen, oder? Das spielt für ihn keine Hauptrolle mehr, aber vielleicht weiterhin eine Nebenrolle?

Sievers: Ja, Plattdeutsch gehört weiterhin zu Pepper, das ist und bleibt ein Markenzeichen von ihm, auch wenn seine Interessen jetzt erst einmal in eine andere Richtung gehen.

Das Interview führte Lornz Lorenzen.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Moin! Schleswig-Holstein – Von Binnenland und Waterkant | 19.08.2024 | 19:00 Uhr

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