Olli Schulz in Hamburg: Nostalgiker mit aufrichtigem Kitsch
Bei seinem ersten von zwei Hamburg-Konzerten hat Olli Schulz einmal mehr die schönsten Geschichten zusammengeklönt und -gesungen. Im Gepäck: Sein Nummer-1-Album "Vom Rand der Zeit".
Wie ein "muckeliges Wohnzimmerkonzert" soll der Abend werden, verspricht Olli Schulz - das erste von zwei Konzerten in Hamburg. Die edel-optics.de-Arena, eigentlich eine Basketball-Halle im Stadtteil Wilhelmsburg, wirkt dann doch zu steril und betongrau für so ein Wohnzimmer. Schulz schafft es trotzdem - ein Heimspiel für den begnadeten Geschichtenerzähler, der sein erstes Nummer-Eins-Album im Gepäck hat. Er braucht nicht viel mehr als sein Publikum und Musik. Und letztere ist eigentlich auch optional.
Bildhafter Bericht von der Magendarmgrippe des Lichtmanns
"Jeder Tag ist eine Note, auch wenn du sie nicht spielst. Sie wird deine Ouvertüre, sie wird so, wie du dich fühlst", schmettert der Singer-Songwriter ins Mikrofon - um in der nächsten Sekunde bildhaft von der Magendarmgrippe seines Lichtmanns zu berichten. Irgendwie ist Olli Schulz noch immer beides, der Liedermacher mit Hang zum Schnulzigen und gleichzeitig ein Comedian, der die Grenzen des guten Geschmacks austestet. Der Einfühlsame, der leidenschaftlich gerne pöbelt - ein sanfter Riese. Dass er kein geradliniges Produkt ist, sondern ein echter Mensch mit Widersprüchen, das lieben seine Fans an ihm.
"Vom Rand der Zeit": Platz 1 in den Albumcharts
Als "Schulzkowski" stolperte er einst angetrunken durchs Privatfernsehen, wurde vielen als Sidekick der Komiker Joko und Klaas bekannt. Schon damals war Schulz' Leidenschaft die Musik, das wusste er - viele andere aber nicht. 21 Jahre nach seiner ersten Platte schafft er es mit "Vom Rand der Zeit" erstmals an die Spitze der Albumcharts. Ohne viel Quatsch und Ironie: Schulz zeigt, dass er auch mit ernsten, aufrichtigen Tönen den breiten Geschmack treffen kann. Vielleicht ist es eine neue Reife, vielleicht der Zeitgeist - wahrscheinlich die Resonanz aus beidem, die das Publikum in Hamburg zum Mitschunkeln bringt.
Anfänge als mittelloser Bühnenhelfer auf der Reeperbahn
In seiner Heimatstadt blüht der Nostalgiker Olli Schulz auf, klönt und singt sich die schönsten Geschichten zusammen: Von seinen jungen Jahren als mittelloser Bühnenhelfer auf der Reeperbahn, der Romanze mit einer vermeintlichen Koksdealerin, dem stundenlangen Stöbern in Plattenläden. "Als Musik noch richtig groß war" ist kein neuer Song von Schulz, aber auch an diesem Abend spiegelt sich darin eine wärmende Sehnsucht nach der Einfachheit alter Zeiten. Das Publikum geht mit: Lautes Jubeln und hochgestreckte Arme, als Schulz fragt, wer auch noch stapelweise CDs zu Hause herumliegen hat.
Olli Schulz: Mal Märchenonkel, mal nahbarer Menschenkenner
"Denn es wird wieder Zeit, dass unser Herz wieder blüht, einfach so" - diese Zeilen mögen kitschig klingen, doch Olli Schulz meint sie genau so und das merkt man ihm auf der Bühne an. Was man von seinen Geschichten glauben kann, bleibt dagegen unklar. Mal ist er Märchenonkel, mal nahbarer Menschenkenner - und meistens beides gleichzeitig. Wahrscheinlich sollte man das Gesamtkunstwerk Olli Schulz, das "Olliversum", auch gar nicht zu sehr auseinanderdenken. Irgendwie passt es ja und manchmal geht's auch nur um den Spaß. Das wird spätestens dann klar, als die Show in Hamburg nach anderthalb Stunden in einer riesigen Kissenschlacht endet. Wie im Wohnzimmer eben.