Jim Jarmusch über seine Band Sqürl: "Es hat etwas Narkotisches"
Es merklich ruhiger um Regisseur Jim Jarmusch geworden. Aus gutem Grund: Der 70-Jährige versucht sich als Sänger und Gitarrist der Band Sqürl, die am Freitag ihr Debütalbum "Silver Haze" veröffentlichen.
Jim Jarmusch ist genervt von der modernen Filmwelt, die ganz auf Disney- und Marvel-Kino setzt. "Hollywood ist tot - oder: es stirbt gerade", so der Kult-Regisseur. "Das hat sich schon vor der Pandemie abgezeichnet, als es mit jedem Film schwieriger wurde, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen." Deshalb konzentriert sich der weißhaarige New Yorker auf sein zweites Standbein: Das Duo Sqürl mit Produzent Carter Logan. Bislang haben die beiden Jarmuschs cineastische Visionen vertont. Jetzt sind sie eine richtige Band - mit sehr speziellem Sound.
"Silver Haze": Velvet Underground trifft Sonic Youth und Lee Hazlewood
"Wir lieben Drones, diese atmosphärischen Sachen", erzählt Jarmusch. "Und wir tendieren zu extrem langsamen, verschleierten Songs. Deshalb nennen wir unseren Stil 'Oxybilly', kurz für Oxycodon-Rockabilly. Nicht, dass wir Drogen nehmen, aber es hat etwas Narkotisches."
Die acht Stücke auf "Silver Haze" sind hypnotische, düstere Klanggemälde aus Noise-Rock, 60´s Pop und Garage-Rock. Velvet Underground trifft Sonic Youth und Lee Hazlewood, mit infernalen Gitarren-Salven und starker Bildsprache. Jarmusch versteht seine Musik als Mini-Soundtracks zu imaginären Filmen. Etwa "Berlin '87", ein Song über die Mauerstadt, in der er ein Jahr gelebt hat.
"Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet", erinnert sich Jarmusch. "Es war ziemlich trostlos. Egal, in welche Richtung man fuhr: In 15 Minuten stand man wieder vor der Mauer. Aber dort passierten auch umwerfende Sachen: Nick Cave hat sein Buch 'And The Ass Saw The Angel' geschrieben, Einstürzende Neubauten haben gespielt und es gab tolle Bands wie Malaria und Die Haut. Ansonsten war es sehr einsam."
Album von Jim Jarmusch: Charlotte Gainsbourg macht mit
"Berlin '87" ist eines von vier Instrumental-Stücken des Albums. Auf dem übrigen Material singt Jarmusch. Mal komplett verhallt, mal im Duett mit Singer-Songwriterin Anika. Oder er lässt Charlotte Gainsbourg Gedichte von John Ashbery vortragen. "Ich liebe Charlotte - als Musikerin und Schauspielerin. Sie ist so natürlich. Ihre Musik hat etwas von ihrem Vater. Dieser fast nicht vorhandene Gesang ist genauso wunderbar wie ihr Akzent. Da ich sie kenne, habe ich sie einfach gefragt. Sie hat zugesagt - und ich war begeistert."
Dreharbeiten zu Comeback-Film starten im Herbst 2023
Im Grunde, so gibt Jarmusch zu, verfolge er mit Sqürl denselben Kunst-Ansatz, wie mit seinen Filmen. Das gelingt wunderbar. Und doch: Ob dieses spannende Band-Projekt eine Zukunft hat, lässt der 70-Jährige offen. Im Herbst beginnen die Dreharbeiten zu seinem Comeback-Film. Erfolg oder Misserfolg entscheiden über die Zukunft.