Helene Fischer und das Phänomen Popschlager
Fünf Mal in Folge die Barclays Arena in Hamburg zu füllen: Das schaffen die wenigsten Künstlerinnen und Künstler. Im April hatte Helene Fischer dort ihre Deutschlandtour gestartet. Was macht ihren Erfolg aus?
Für manche ist diese Musik der absolute Alptraum. Andere lieben Helene Fischer, ihre Songs, ihre Alben - und vor allem ihre Live-Shows: "Ich glaube, sie ist ein bisschen so, wie wir alle gern wären. Sie ist sehr makellos, sehr perfekt", sagt die Leipziger Musikwissenschaftlerin Marina Forell über den Erfolg von Helene Fischer. Sie hat gerade ihre Doktorarbeit über Popschlager fertiggestellt: "Allerdings bemüht sie sich auch um Nahbarkeit, tritt betont freundlich in der Öffentlichkeit auf, hat keinerlei Skandale, wo sie sich daneben benimmt."
Mehr junge Menschen bekennen sich zum Schlager
Aber was sind das eigentlich für Menschen - zum Beispiel die mehr als 50.000, die in den nächsten Wochen in Hamburg und Hannover aufs Konzert gehen? "Der typische Helene Fischer-Fan ist 31 Jahre alt, weiblich, Single", zitiert Marina Forell eine Studie aus Hannover. Mehr und mehr junge Menschen stehen dazu: Schlager ist längst nicht mehr nur das Genre, zu dem man bierseelig auf einer Party tanzt, sondern auch das Genre, das die Musiksammlung zu Hause prägt.
Das ist gar nicht so neu: "Der 70er-Jahre-Schlager mit den Fernsehshows war für breitere Schichten. Dann kamen Marianne und Michael in den 80er- und 90er-Jahren. Da wurde der Schlager sehr volkstümlich, sehr alpin und irgendwie auch ein bisschen altbacken und peinlich", erklärt Forell. "Durch den Popschlager bricht das wieder ein bisschen auf, sodass dieses 'was Oma und Opa hören' ein bisschen wegfällt. Ähnlich wie in den 1970er-Jahren."
Alles schon einmal da gewesen. Eine Wellenbewegung also. Kann man Pop und Popschlager überhaupt noch trennen? "Das ist schwierig", sagt Forell. "Es ist tatsächlich so, dass die Songschreiber hinter den Songs teilweise für das eine und für das andere Genre schreiben. Die größten Unterschiede liegen in den Finessen in der Produktion. Aber es gibt natürlich auch Songs, zum Beispiel 'Ruf nicht mehr an' von Vanessa Mai - da gibt es eigentlich gar keinen Unterschied mehr."
Selbstbestimmte Frauen, unemanzipierte Songtexte
Dann gibt es noch etwas, was Musikwissenschaftlerin Marina Forell in ihrer Doktorarbeit untersucht hat: Gender- und Frauenbild im aktuellen deutschen Schlager. Das Ergebnis ist zweigeteilt: "Das sind nicht mehr irgendwelche Dirndl-tragenden Muttchen, sondern moderne, selbstbestimmte Frauen, die sich selbst ermächtigt präsentieren, große Bühnenshows machen und erfolgreich sind", erklärt Marina Forell.
"Im Gegensatz dazu stehen aber oftmals unemanzipierte Texte, wo es darum geht, dass man sein ganzes Glück nur in einer heterosexuellen Beziehung findet. Da gibt es dann Dinge, die in der Außendarstellung und in den Texten gegeneinander laufen. Aber es gibt im deutschen Schlager mittlerweile auch eine feministische Hymne auf Helene Fischers aktuellem Album. Da geht es um Bestärkung von Frauen - und dass man sich als Frau nicht unterkriegen lassen soll."
Ist der Schlager in Deutschland also weiter im Wandel? So oder so: Er bleibt ein Phänomen, das allein in diesen Wochen wieder Zehntausende mitreißt.