"Golden Years" von Tocotronic: Oft zu behäbig und gefällig
Tocotronic ist eine Institution des deutschen Indie-Rocks. Vor 30 Jahren haben sie ihr Debütalbum "Digital ist besser" veröffentlicht. Nun erscheint das 14. Album mit dem Titel "Golden Years".
"Wir mögen Titel wie 'Golden Years', weil sie doppelsinnig sind", sagt Dirk von Lowtzow, Sänger und Frontmann von Tocotronic über den Titel des neuen Albums "Golden Years". Den Titel könnte man positiv lesen, doch Dirk von Lowtzows Lesart aber "ist die sarkastische Deutung angesichts der finsteren Zeiten, in denen wir leben". Im Tenor ist "Golden Years" nicht besonders optimistisch - trotzdem kapitulieren Tocotronic, die es seit mittlerweile mehr als 30 Jahren gibt, nicht.
Selbst wenn alles den Bach runtergeht, singt von Lowtzow "Bleib am Leben", denn "es gibt noch etwas zu erledigen". Dazu preschen Gitarre, Bass und Schlagzeug in euphorischer Wucht nach vorn. Der Refrain lädt zum Mitsingen ein. Hoffnungslosigkeit trifft auf beherzte Heiterkeit. Diese Ambivalenz durchzieht das ganze Album.
Höhepunkte auf dem Album: Titelstück und Protestsong
Tocotronic haben mit rotzigem Gitarrenrock und Texten auf Deutsch begonnen, die häufig um eine zentrale Aussage kreisten, wie etwa: "Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein". Die sprachliche Nonchalance von damals klingt auf der neuen Platte in Stücken wie "Bye Bye Berlin" oder "Mein unfreiwillig asoziales Jahr" an. Im Großen und Ganzen verzichten Tocotronic aber darauf. Die Texte handeln weiter von den Alltagserfahrungen des Ich-Erzählers. Sie sind aber ohne die eingängigen Slogans weniger prägnant.
Höhepunkte der Platte sind das Titelstück und der Protestsong "Denn sie wissen, was sie tun". Er richtet sich gegen den erstarkenden Rechtspopulismus.
Darum muss man sie bekämpfen, aber niemals mit Gewalt, wenn wir sie auf die Münder küssen, machen wir sie schneller kalt. Zeile aus dem Lied "Denn sie wissen, was sie tun" von Tocotronic
Das erinnert zumindest an ein berühmtes Tucholsky-Gedicht von 1931. Tocotronic machen hier das, was sie am besten können: Der Titel ist ein griffiger Spruch, aus dem das Thema entwickelt wird. Und trotz der Klarheit der Botschaft ist der Song immer noch ausdeutbar. "Wir glauben, dass durch dieses drastische Bild - ein Todeskuss, der dem politischen Feind den Atem nimmt und durch die Postulierung 'aber niemals mit Gewalt', die ja einen Gegensatz dazu darstellt - ein poetischer Witz und eine dialektische Kraft entstehen kann."
"Golden Years" unterm Strich ein durchwachsenes Album
Musikalisch bewegt sich "Golden Years" im inzwischen gewohnten Spannungsfeld von Gitarrenrock und Indie-Pop. Die psychedelische Gitarre von Rick McPhail, der gesundheitsbedingt eine Auszeit von der Band nimmt, taucht immer wieder auf. Sie spielt für die Arrangements aber keine tragende Rolle. Unterm Strich ist Golden Years ein durchwachsenes Album. Oftmals wirkt es zu behäbig und gefällig. Am überzeugendsten ist es dort, wo sich Tocotronic auf ihre alten Stärken besinnen.
Golden Years
- Genre:
- Indie-Rock
- Label:
- Epic
- Veröffentlichungsdatum:
- 14.2.2025
Schlagwörter zu diesem Artikel
Rock und Pop
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