Everything But The Girl: Gelungenes Comeback nach 24 Jahren
Die britische Band Everything But The Girl war in den 90er-Jahren auf dem Zenit ihres Schaffens - und hat dann keine Alben mehr veröffentlicht. Nach 24 Jahren erscheint nun mit "Fuse" ein überraschendes Comeback.
Als sich Everything But The Girl 1982 gründeten, konnte niemand absehen, wie facettenreich ihre Musik irgendwann sein würde. Denn das englische Duo, bestehend aus dem Paar Tracey Thorn und Ben Watt, hat sich ausgetobt: Jazz Pop, Ausflüge in Soul und Lounge-Musik, Indie Pop, dann Elektro Pop, Deep House, Dance, Drum And Bass und auch Trip Hop. Kurz: Experimente mit verschiedenen Einflüssen gehörten schon immer zum Erfolgsrezept der Band. Der unerwartete weltweite Durchbruch gelang ihnen Mitte der 1990er mit "Missing": In einem Remix wurde der Song zunächst ein weltweiter, zeitloser Clubhit und eroberte dann die Charts. Ein kleines Pop-Juwel.
Klassiker in den 90er-Jahren
Zudem hat Tracey Thorn den Trip Hop-Klassiker "Protection" von Massive Attack gesungen - und wurde damit zu einer der weiblichen Stimmen des Jahrzehnts. Everything But The Girl waren also äußerst erfolgreich und hätten zum Jahrtausendwechsel zum Beispiel mit U2 auf Tour gehen können. Doch das lehnte die Band ab. Stattdessen zog sich das verheiratete Duo komplett zurück, legte den Fokus auf die drei gemeinsamen Kinder. Die Band lag also vorerst auf Eis. Seit dem letzten Album 1999 sind die Kinder mittlerweile erwachsen, Thorn und Watt haben hier und da solo Musik veröffentlicht, Clubs und Labels betrieben oder auch Bücher geschrieben. Beruflich getrennt, privat zusammen und glücklich verheiratet - das gibt es auch eher selten im Pop.
Überraschendes Comeback nach 24 Jahren
Dann die Überraschung: Im März 2021 beginnt Thorn, neue Songs zu schreiben, explizit für Everything But The Girl. Vorerst im Geheimen, dem Druck von außen wollen die beiden weitestgehend ausweichen. "Best Of"-Touren wären für sie ein Albtraum, stattdessen wollen sie im Jahr 2023 gut und modern klingen. Nun ist 24 Jahre nach dem letzten Album das neue Werk "Fuse" da - und die knapp zweieinhalb Jahrzehnte Auszeit wirken bei Everything But The Girl nur wie eine kurze Pause. Die beiden machen einfach dort weiter, wo sie aufgehört haben: Schon der Opener "Nothing Left To Lose" ist eine Reminiszenz an die 90er-Clubhits, wie auch die Single "Caution To The Wind".
Kein Verfall in Nostalgie
Auch wenn sie sich treu geblieben sind, verfallen sie nicht zu sehr in Nostalgie. "Fuse" bietet gewohnt melancholisch-zurückhaltenden Elektro-Pop, aber es wird auch experimentiert: Während das Klavier zu Beats klimpert, wird bei "When You Mess Up" Auto-Tune ausprobiert. Bei "Time And Time Again" gibt es Trap-Beats und in "Forever" kann man Strömungen wie Amapiano entdecken - eine Form der House-Musik mit Wurzeln in Südafrika.
Auch wenn ab der Mitte des Albums Songs hier und da dahinzuplätschern scheinen, gibt es in den Texten doch Geheimnisse und Kanten zu entdecken: zum Beispiel im Song "Lost" über den Tod von Thorns Mutter. Thorns Stimme ist schön gealtert, klingt reif und elegant - und das, worüber sie singt, besitzt auch eine Tiefe: Die Songs sind selbstreflexiv, nachdenklich, handeln von verpassten Gelegenheiten, Bedauern und schmerzhaften Erinnerungen.
Anmutig und erwachsen: Ein gelungenes Album
Insgesamt erfinden Everything But The Girl mit "Fuse" das Rad nicht neu, Welthits wie "Missing" sind auch nicht darauf. Das ist aber nicht weiter schlimm, das Album trotzdem gelungen. Vor allem "Run A Red Light", das Herzstück des Albums: Getextet aus der Sicht eines desillusionierten Club-DJs, ist das Lied ein spärlicher Song - wie ein durchfeierter, verkaterter, aber dennoch wunderschöner Sonntagmorgen. Das Album "Fuse" klingt anmutig und erwachsen, die schüchtern-scheue Zurückhaltung ist auch Teil des Erfolgsrezepts von Everything But The Girl. Auf dass ein nächstes Album nicht wieder 24 Jahre auf sich warten lässt!
Fuse
- Label:
- Virgin / Universal