Depeche Mode in München: Vorgeschmack auf große Tour
In München hat sich am Wochenende fast alles um die Sicherheitskonferenz gedreht. Ein paar Menschen sind allerdings für Depeche Mode nach Bayern gepilgert: Knapp 400 glückliche Fans durften dank eines Gewinnspiels - unter anderem von NDR 2 - ein exklusives Konzert der legendären Band erleben.
Während es also in der Münchener Innenstadt ein hohes Polizeiaufgebot gibt, ist es vormittags vor der Alten Kongresshalle am Bavariapark noch sehr ruhig. Als ich hier Stunden vor dem Konzert vorbeispaziere, stehen hier schon einige Fans artig an. Sie sind die ersten Vertreter*innen des "Black Swarm". Diesen Spitznamen hat Sänger Dave Gahan einst den eingefleischten Depeche Mode-Fans verpasst, denn die tragen eben bevorzugt schwarze Klamotten.
Depeche Mode sind auf Promo-Tour
Doch zurück zur Band selbst: Depeche Mode bringen am 24. März ihr neues Album "Memento Mori" raus. Es wird das erste nach dem überraschenden Tod des Gründungsmitglieds Andy Fletcher sein. Trotzdem sind die beiden verbliebenen Bandmitglieder Dave Gahan und Martin Gore zurück ins Studio gegangen und haben ihre 15. Platte fertiggestellt. Nach einer Pressekonferenz im Oktober und der ersten Single "Ghosts Again" wird bei Depeche Mode nun nochmal richtig auf die Werbetrommel eingedroschen.
Im Zuge dessen absolviert die Band aktuell einige Promo-Auftritte, wie auch das Geheimkonzert in München. Und so komme auch ich zum Einsatz: Während der schwarze Schwarm brav draußen wartet, habe ich in der Alten Kongresshalle ganz andere Sorgen. Genauer gesagt, ich bin hochgradig nervös, denn ich habe einen Interview-Termin mit Dave Gahan. Richtig gelesen, einer der größten Frontmänner des Planeten bittet zur Audienz.
Das Interview: zur Audienz bei Dave Gahan
Und so werde ich in einen Raum geführt, in dem ein Mann mit stahlgrauen Haaren sitzt, gekleidet in einen bemerkenswert gutsitzenden, dunkelblauen Anzug. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand, ich versuche hinter seinen stark getönten Brillengläsern seine Augen zu erkennen. In letzter Zeit sieht man Dave Gahan eigentlich nur noch mit Brille, scheinbar muss er das mit 60 Jahren jetzt so machen. Aber sonst wirkt er fit; wie um das zu unterstreichen, steht vor ihm sogar ein halbausgetrunkener Smoothie. Ich drücke dem Sänger, der mit seiner Band etwa 100 Millionen Alben verkauft und vor 35 Millionen Konzertgäst*innen aufgetreten ist, ein NDR Mikro in die Hand. Und so wir hetzen durch ein schnelles zwölfminütiges Date.
Gahan über die Aufnahmen zu "Memento Mori" und Andy Fletcher
Gut gehe es ihm, erzählt Gahan. Aktuell reisen er und Martin Gore viel durch die Gegend: Mit dabei haben sie ihren langjährigen Tour-Schlagzeuger Christian Eigner und Tour-Keyboarder Peter Gordeno. Von Land zu Land, von Stadt zu Stadt, von TV-Terminen zu Events wie heute. Bald sollen aber die letzten Vorbereitungen für die große Tour losgehen. Das neue Album "Memento Mori" ist natürlich Thema: Schon früh in der Pandemie haben Gore und Gahan Ideen ausgetauscht. Andy Fletcher war bei den ersten Plänen dazu noch involviert, konnte die fertigen Songs allerdings nicht mehr hören. Der Schock über seinen Tod sitzt merkbar tief, Gahan spult rund um dieses Thema seine Antworten wie auf Schienen ab. Wir sprechen weiter über den cineastischen Sound der Platte, warum "Memento Mori" nach Kraftwerk klingt - und dann ist die Interviewzeit auch schon beinahe vorbei.
"Kommt ihr bitte auch in den Norden?"
Ich hätte noch etliche Fragen gehabt, muss gegen Ende jedoch alles auf eine Karte setzen: Die bisherigen Tourdaten sind ja schön und gut, aber ist da noch irgendwas in Hamburg, oder zumindest irgendwas in Norddeutschland möglich? Gahan schaut erstaunt, erwidert: da ist "sehr wahrscheinlich" was zu machen, die bisher bekanntgegebenen Daten seien noch nicht vollständig. Aber auch das hat eine gewisse Tradition bei Depeche Mode - nach und nach werden immer mehr Konzerte bekannt gegeben. Ich bedanke und verabschiede mich, und nach Shakehands zieht der Rockstar ohne seinen Smoothie davon. Übrigens: Nicht nur in den Songs oder auf der Bühne hört man dem Mann gerne zu. Auch im Gespräch hat er eine Stimme, in die man sich reinlegen und einwickeln möchte - interessanterweise immer noch mit deutlich englischem Dialekt, obwohl der Mann auch schon seit einer Ewigkeit in New York lebt.
Ein Konzert in Wohnzimmer-Atmosphäre
Während ich einmal durchschnaufen muss, ist nun auch der schwarze Schwarm in der Alten Kongresshalle angekommen. Zur Einordnung: Das hier ist insofern ein besonderer Abend, als dass Depeche Mode sonst in ausverkauften Hallen, sogar Stadien vor Zehntausenden spielen. So nehmen hier nun 400 strahlende Gesichter im holzvertäfelten Saal Platz, um nur wenige Augenblicke später wieder aufzuspringen und fortan die Bestuhlung zu ignorieren, als Depeche Mode auf die Bühne kommen. Zu viert stehen sie nun dort: Gore in einem glitzernden silbernen Jackett, Gahan tänzelt in seinem bereits angesprochenen Outfit, dahinter stehen und sitzen Gordeno und Eigner, verdeckt von Keyboards und Schlagzeug. Los geht es mit der aktuellen Single: "Ghosts Again" wird schon frenetisch mitgesungen und beklatscht.
Drei neue Songs und zwei Hits
Anschließend gibt es zwei andere neue Songs und noch ein weiteres Novum: Sowohl "Wagging Tongue" als auch "My Favourite Stranger" müssen Depeche Mode nochmal von Neuem beginnen. Sie stecken noch mitten in den Proben für die Tour, erklären sie, daher hat es mit den Einsätzen heute nicht so recht geklappt. Diese Patzer geschehen ihnen aber auf so eine charismatische Art und Weise, dass das Publikum trotzdem applaudiert: Wo sonst ihre Songs perfekt, aber eben auch kühl runtergespielt werden, machen diese Fehler die Band nahbar. Auch Gore lacht, der vorher eher noch recht sparsam dreingeblickt hat. Die beiden folgenden Hits "Precious" und "Personal Jesus" sitzen natürlich, die beiden Songs haben sie ja nun auch oft genug in ihrer Karriere gespielt.
Fragerunde mit Depeche Mode
Dass das Konzert nur fünf Songs dauern würde, darüber wurden die Besucher*innen im Vorfeld informiert. Auch wenn die Rufe nach einer Zugabe wirkungslos bleiben, bekommen die Fans trotzdem noch etwas geboten: Gahan und Gore kommen nochmal zu einem halbstündigen Talk mit dem Bayern 1-Moderator Marcus Fahn heraus und beantworten alle möglichen Fragen: Das letzte Konzert auf dem Gahan gewesen sei? Das seiner Tochter, sagt er stolz. Haben sie eine Tagesroutine? Gore hat aktuell mit zwei jungen Kindern zu tun, Gahan hingegen trinkt morgens gern in Ruhe Kaffee mit seinen Katzen - noch mehr anerkennende Lacher im Publikum. Schließlich werden die beiden Charismatiker mit Standing Ovations verabschiedet. Nach der Stunde scheinen die Fans der Band sehr glücklich und zufrieden - und alles in allem scheinen auch die neuen Songs gut angekommen zu sein.
Darüber denke ich nach, während ich zum Hauptbahnhof München laufe, um den letzten Zug nach Hamburg zu erwischen und diesen Text hier zu tippen: Es war ein schöner Abend, der zum einen noch mehr Lust auf das neue Album, aber auch auf die Tour macht.