Die Cellistin Anastasia Kobekina ©  Julia Altukhova / Festspiele MV Foto:  Julia Altukhova

Ein Adventswochenende mit Anastasia Kobekina

Stand: 07.12.2022 06:00 Uhr

Die junge Cellistin Anastasia Kobekina durfte für die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern ein Mini-Festival kuratieren und hat an drei Tagen vier Konzerte selbst gespielt und zwei weitere mit geplant.

von Christiane Irrgang

Im Gutshaus von Stolpe an der Peene und in Ulrichshusen, das mit Scheune, Schloss, Remise und Park zu den Hauptspielstätten der Festspiele gehört, kam ein Dutzend befreundeter Musiker aus aller Welt zusammen. Sie präsentierten Kammermusik und Lieder, überwiegend aus Russland und Osteuropa.

"Weihnachten" - beim letzten Lied gab es sogar noch einen kleinen Chor im festlich dekorierten Schloss Ulrichshusen, angestimmt von Musikerinnen und Musikern aus Deutschland, Korea, Norwegen, Frankreich, Russland und der Ukraine. Eigentlich spielen sie Klavier, Cello, Bratsche oder Geige, wie Aleksey Semenenko, Ukrainer mit russischen Eltern. Wenn er nicht gerade selbst auf der Bühne stand, lauschte er seinen Kolleginnen, zum Beispiel Nathalia Milsteins Klaviermatinee "Ein Spaziergang mit Tschaikowsky".

Geiger Semenenko: Tränen bei Tschaikowsky

"Weihnachten - dieser Schmuck auf der Bühne, Tschaikowsky-Musik mit diesen kleinen Stücken, da fielen mir schon die Tränen runter", erzählt Aleksey Semenenko. "Ich wurde empfindlicher heute. Nach diesen Konzerten habe ich das wieder gespürt: Wir befinden uns in Zeiten, wo die russische Musik natürlich dazu neigt ausgeschlossen zu werden. Aber ihre Schönheit gewinnt über all diesen Vorurteilen und Glaubenssätzen des heutigen Tages."

Adventswochenende mit viel russischer Musik

Eigentlich sollte das Adventswochenende unter dem Motto "Russische Weihnachten" stehen. Doch dieser Plan war vor dem 24. Februar entstanden. Nach Kriegsausbruch wurde der Titel geändert in "Ein Adventswochenende mit Anastasia Kobekina". Das Programm wurde etwas abgeändert, weil nicht mehr alle Künstler aus Russland hätten einreisen können und man ein rein russisches Weihnachtslieder-Programm als unpassend empfand. Auch Anastasia Kobekina nahm in ihrer Begrüßung einmal kurz zum Ukraine-Krieg Stellung. Doch danach stand nur noch die Musik im Mittelpunkt - tatsächlich viel russische Musik, wie beim "Rendezvous in St. Petersburg": Charakterstücke für Cello und Klavier von Rimskij-Korsakow, Glasunow und Ljadow und zum Schluss ein kaum bekanntes Streichquartett, das die drei zusammen mit dem Kollegen Borodin komponiert hatten. Sehr stimmungsvoll war auch eine Lesung aus Tolstois Novelle "Die Kreutzer-Sonate", ergänzt um die Violinsonate von Beethoven, die den russischen Dichter inspiriert hatte.

Hommage an die Stadt Venedig - CD für 2023 geplant

In der "Venezianischen Barocknacht" spielte Anastasia Kobekina als Solistin Vivaldi-Konzerte, unterbrochen von kurzen unterschiedlich besetzten Duos aus verschiedenen Epochen. Einmal wechselte sie sogar mitten im Stück vom Barockcello zu ihrem "modernen" Cello - das allerdings von Antonio Stradivari und aus dem Jahr 1698 stammt, es ist nur eben nicht mit Darmsaiten bezogen. Nach diesem exklusiven Vorkonzert für das Festivalpublikum in Ulrichshusen soll das Venedig-Programm im nächsten Jahr auf CD erscheinen - eine Hommage an die europäische Lieblingsstadt der Cellistin.

Festliche Stimmung mit internationalen Weihnachtsliedern

All dies hätte man unter dem Motto "Winter in Russland" wahrscheinlich genauso im November oder im Februar spielen können. Aber auf dem Ulrichshusener Schlossgelände steht ein riesiger Weihnachtsbaum und es gibt einen Weihnachtsmarkt in der großen Festspielscheune, wo im Sommer die Orchesterkonzerte stattfinden. Nach einem Konzert wurde für das Publikum auch ein kleiner Spaziergang mit Glühwein, Stollen und Liedersingen angeboten. Am Sonntagnachmittag klang das kleine Festival dann aus mit Kammermusik von Dvořák - auch wieder ganz großartig gespielt - und Weihnachtsliedern aus aller Welt in modernen Sätzen für Sopran und Klavierquintett von Anastasias Vater Wladimir Kobekin. So hat man "Stille Nacht, heilige Nacht" noch nie gehört.

Den Moment schätzen, in dem man lebt

Das ganze Wochenende war deutlich geprägt von Anastasia Kobekina. Die junge Frau ist nicht nur eine ausgezeichnete Cellistin, sie ist auch eine charmante und liebenswerte Person, die sich über vieles Gedanken macht. Dazu passt ihr Abschiedsgruß: "Ich wünsche Ihnen besinnliche Weihnachten! Und was ich mir auch wünschen würde: dankbar sein für das, was man hat, und diesen Moment zu schätzen, in dem man lebt. Ich glaube, man hat Sorgen nur über die Vergangenheit und über die Zukunft. Aber wenn man im Moment lebt, ist das sehr schön und beglückend."

NDR Kultur hat drei Konzerte aufgezeichnet und sendet sie am 19. Dezember ab 20 Uhr und am Ersten Weihnachtstag ab 22 Uhr. Außerdem können Sie Anastasia Kobekina am Freitag um 13 Uhr in NDR Kultur à la carte erleben.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 05.12.2022 | 14:20 Uhr

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