Der Pianist Fabian Müller © Neda Navaee / Fabian Müller Foto: Neda Navaee

"Nahklang": Französischer Abend mit Albrecht Mayer und Fabian Müller

Stand: 13.10.2022 15:17 Uhr

Mit französischer Romantik von Ravel, Debussy und Saint-Saëns für Oboe und Klavier haben Albrecht Mayer und Fabian Müller die neue Saison der Kammermusik-Gemeinde Hannover eröffnet.

von Raliza Nikolov

Am Mittwoch ging's los - die neue Saison der Kammermusik-Gemeinde Hannover unter dem Motto "Nahklang" begann mit einem für eine Saisoneröffnung erstaunlichen Ensemble: Oboe und Klavier. Aber das waren eben nicht irgendein Oboist und Pianist, es waren Albrecht Mayer, Solooboist der Berliner Philharmoniker, und sein Duo-Partner Fabian Müller. Sie hatten eigens für den Abend in der Orangerie in Herrenhausen ein romantisches französisches Programm kreiert.

Ein märchenhaft romantisches französisches Programm in Hannover

Es war ein sehr poetisches Programm - mit Entdeckungen von Vincent d’Indy und Paul Pierné sowie vertrautem Repertoire von Ravel und Debussy. Albrecht Mayer und Fabian Müller sind bestens aufeinander eingespielt. Dass sie sich schon eine ganze Weile kennen, war sehr zu spüren und dass Albrecht Mayer fast der Vater von Fabian Müller sein könnte, merkte man nur an seinen Bemerkungen, nicht am Spiel. Da waren zwei vollkommen gleichrangige große Musiker auf der Bühne. Es war ein sehr kurzweiliger Abend mit viel Volksliedhaftem, Pastoralem und zwei Sonaten von Camille Saint-Saëns und Francis Poulenc.

Ein bestens aufeinander eingespieltes Duo

"Ich bin mit Aufnahmen der Berliner Philharmoniker groß geworden. Ich kenne Albrecht Mayer schon lange", erzählt Fabian Müller. "Ich habe ihn dann getroffen. Die Chance, Duo-Konzerte mit ihm zu spielen, das ist etwas Besonderes. Diese Mischung aus Klavier und Oboe ist auch ein Klanggefüge, das sehr spezielle Klangfarben erzeugt, wo man sich besonders darauf einstellen muss. Aber wenn man jemanden wie Albrecht Mayer hat, dann ist das eine musikalische Freundschaft auf der Bühne und so funktioniert das natürlich und völlig von alleine."

Albrecht Mayer hat kleine Einführungen zwischen den Stücken gegeben. Das hat die Atmosphäre beeinflusst. Er hat immer wieder von der schwierigen Situation für Kulturschaffende gesprochen und dem Glück, diesen Abend gestalten zu können. Vor allem aber hat er zu den Stücken recht buffoneske Geschichten erzählt und die Leute zum Lachen gebracht - etwa wenn er davon sprach, wie er sich den zweiten Satz aus der Saint-Saëns-Sonate vorstellt: Fabian Müller als schöne Schäferin, er selbst als werbender Schäfer. Einigermaßen erstaunlich, so eine Geschichte 2022 zum Besten zu geben.

Ungewöhnliche Besetzung, ungewöhnliche Geschichten

Der Musiker Albrecht Mayer spielt Oboe in der NDR Talk Show am 7. Oktober 2022. © NDR Fernsehen/Uwe Ernst Foto: Uwe Ernst
Albrecht Mayers Geheimnis: "Wenn man mit zu viel Kraft spielt, geht der Charme verloren."

Insgesamt war es ein Programm aus einem Guss - und das ist für Albrecht Mayer, der gern auch Bearbeitungen spielt, etwas Besonderes. Gespielt wurden nur Originalwerke für Oboe und Klavier. Dass es so gut funktioniert hat, lag an den beiden Beteiligten. Eine Dame aus dem Publikum sagte in der Pause, normalerweise finde sie ja den Oboen-Klang eher penetrant, aber Albrecht Mayer - das sei was anderes. Er sagt dazu: "Ich denke, das ganz große Geheimnis, wenn es eines gibt, ist, dass die Kraft im Weg ist. Wenn man das Instrument - das ist ja ein sehr weibliches Instrument - mit zu viel Kraft spielt, dann geht der Charme verloren. Damit man wirklich singen kann, muss man eigentlich die Oboe nur sein lassen, nur mit Atem, ganz sanft und liebevoll, nicht so 'gib ihm' und vor allem keine Muskelkraft - sehr sehr wichtig."

Das ist einigermaßen verblüffend zu hören, wenn man Albrecht Mayer zuschaut beim Spielen. Da verfärbt sich sein Gesicht, er wird rot - die Tonerzeugung ist ja mit sehr viel Spannung verbunden. Aber so erklären sich die fließenden, manchmal ins Flötenartige spielenden Töne, die er seiner Oboe entlockt.

Zwei Solostücke für Klavier und intime Momente

Eine Besonderheit an diesem Abend war, dass Fabian Müller zwei Stücke solo gespielt hat, um Albrecht Mayer ein bisschen Zeit zum Luftholen zu verschaffen. Eines war Debussys "Claire de Lune", sein bekanntestes Klavierstück, das man oft sehr kitschig hört. Gestern war das anders. "Es ist, als käme man auf die Bühne, um nur eine kleine Praline zu präsentieren, um die man sich aber besonders sorgt und die besonders poetisch ist", sagt Fabian Müller. "Niemand würde versuchen, sich in diesen fünf Minuten besonders zur Schau zu stellen. Das ist in diesem Kontext nicht der richtige Moment, sondern es ist eigentlich immer kurz etwas sehr Persönliches und dann geht man auch schon wieder. Es ist fast unangenehm intim und deswegen finde ich sie sehr angenehm innerhalb des Programms."

Albrecht Mayer schwärmt von Fabian Müller

"Fabian Müller ist - ich nehme das Wort normalerweise nicht in den Mund - einer der absoluten jungen Superstars, der in den vergangenen Jahren eine ganz steile Karriere gemacht hat", schwärmt Albrecht Mayer. "Nicht, weil er protegiert wurde, sondern weil er einfach so sensationell spielt. Er hat eine tolle Ausstrahlung auf der Bühne. Er scheint überhaupt vollkommen affektfrei zu sein, macht gar keine Kinkerlitzchen oder Sperenzien oder stellt sich irgendwie dar, sondern lässt wirklich nur die Musik sprechen. Und hat erschreckenderweise überhaupt kein Limit beim Klavierspielen. Unglaublich."

Fabian Müller kommt am Ende der Saison wieder: Am 8. Juni spielt er das Klavierquintett von Robert Schumann mit dem Schumann Quartett. Das nächste Konzert in der Reihe der Kammermusik-Gemeinde Hannover ist für den 14. November geplant, dann in der Galerie Herrenhausen. Das Simply Quartet spielt Werke von Schubert und Dvořák.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 13.10.2022 | 09:20 Uhr

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