Leuchtendes Vorbild für Frauen in der Musik: Zum Tod von Kaija Saariaho
Die finnische Komponistin Kaija Saariaho, eine der meist gespielten Komponistinnen unserer Zeit, ist im Alter von 70 Jahren in Paris gestorben. Ihre Werke wurden weltweit aufgeführt. Sie bekam unter anderem einen Grammy und den Polar Musik Preis.
Wiebke Busch ist die Geschäftsführerin von Chester Music, dem Verlag, der die Werke von Kaija Saariaho herausbringt. Frau Busch, Sie kannten Kaija Saariaho persönlich. Sie haben intensiv mit ihr zusammengearbeitet. Die Nachricht von ihrem Tod hat sie sicher erschüttert.
Wiebke Busch: Ja, sicherlich. Es war eine große Ehre, über 20 Jahre Teil ihres kreativen Weges zu sein. Und auch wenn wir durch die lange Krankheit alle wussten, dass es irgendwann passieren wird, ist es immer schockierend.
Kaija Saariaho war eine wichtige Stimme in der zeitgenössischen Musik. Wie würden Sie ihre internationale Bedeutung einschätzen?
Busch: Es ist sicherlich eine herausragende Stellung, die sie auch im internationalen Musikleben eingenommen hat. Hier zu nennen wäre beispielsweise die Metropolitan Opera, denn dort wurde ihre Oper "L'Amour de loin" aufgeführt - ach vielen, vielen Produktionen als eine der wenigen Opern von einer weiblichen Komponistin.
Kaija Saariahos Schaffen ist ja ein sehr breitgefächertes. Sie hat wirklich alles gemacht, von Kammermusik bis hin zur großen Form, bis hin zur Oper. Können Sie trotzdem beschreiben, was den Stil von Saariaho ausmacht?
Busch: Ich glaube, wichtige Elemente sind die sehr sensiblen Orchestrierungen, die uns das Symphonische Orchester im 21. Jahrhundert neu entdecken lassen. Unverkennbar sind, glaube ich, auch die Konstellationen der Holzbläser oft mit Celesta und Harfen kombiniert, sodass ihr Stil als wiedererkennbar und einmalig wahrgenommen wird. Und auch der Umgang mit der menschlichen Stimme und dem Atem ist immer ein treibender Aspekt für die dramaturgische Gestaltung auch der einzelnen Werke gewesen.
Inwieweit hat sich denn Kaija Saariaho auch in der finnischen Musiktradition gesehen? Wenn wir beispielsweise an Sibelius denken und an andere finnische Komponistinnen oder Komponisten. Hat sie sich da besonders verwurzelt gefühlt?
Busch: Immer hat sie sich sehr stark als finnische Komponistin wahrgenommen, aber auch als Teil ihrer Generation, zu der auch Esa-Pekka Salonen, Magnus Lindberg, Anssi Karttunen gehören, die dann in den 70er-Jahren die Gruppe "Ears Open" gegründet haben. Damit haben sie sich von dieser finnischen Tradition eher abgesetzt. Sie haben dann die kontinentaleuropäische Moderne nach Helsinki gebracht und das schließlich selbst in ihren Ensembles aufgeführt. Und trotzdem ist bei allen Komponisten dieser Generation, die ja auch in Hamburg oft aufgeführt werden, eine klare skandinavische Assoziation für uns alle nachvollziehbar. Es ist sozusagen eine Abgrenzung, aber auch eine Fortsetzung in einem klanglich erweiterten Raum, der uns einfach im 21. Jahrhundert von diesen Komponistinnen und Komponisten geschenkt wurde.
Interessant, dass Sie da von diesem klanglich erweiterten Raum sprechen. Das ist ja oft so bei der skandinavischen Musik, dass Räume aufgehen und man in so eine Weite hineinkommt. Auch bei Kaija Saariaho.
Busch: Auf jeden Fall! Und wenn man vom Raum spricht, kann man auch von diesen skulpturalen Klangflächen sprechen. Und die sind insbesondere bei den Orchesterwerken Saariahos, wie "Laterna Magica" und "Ciel d'Hiver" besonders intensiv nachvollziehbar.
Nun haben sie über 20 Jahre mit Kaija Saariaho zusammengearbeitet. Wie haben Sie sie persönlich erlebt als Mensch?
Busch: Sie war eine unglaublich disziplinierte Arbeiterin, künstlerisch sehr integer und eine fantastische Teampartnerin. Wenn wir gemeinsam an Projekten gearbeitet haben, war das Vertrauen in die jeweilige Rolle des anderen immens groß. Damit konnten wir sozusagen über viele Jahre ein sehr vertrauensvolles und konstruktives Miteinander aufbauen. Dadurch, dass sie auch eine Generation älter ist, war sie immer auch ein großes Vorbild in der integeren und wohlwollenden Umgangsart mit anderen Menschen und das wird sie auch immer sein.
Kaija Saariaho hat ja offenbar einen starken inneren Drang verspürt, Komponistin zu werden. War das als Frau für sie in der Neuen Musik Szene besonders herausfordernd?
Busch: Ich glaube, es war wie in jeder anderen Szene als Frau besonders herausfordernd. Sie ist für uns, für viele Musikerinnen und viele andere Frauen im Musikbereich, ein großes Vorbild. Und wir dürfen ihr, glaube ich, sehr dankbar sein und es auch als Verpflichtung nehmen, diesen Weg weiter fortzusetzen.
Die Uraufführung des letzten Werkes von Kaija Saariaho wird posthum stattfinden. Am 24. August ist die Premiere ihres Trompetenkonzerts "Hush" in Helsinki mit Verneri Pohjola, dem Finnish Radio Symphony Orchestra und Susanna Mälkki. Hat denn Kaija Saariaho bis zuletzt noch komponiert?
Busch: Ja! Das war wirklich tief beeindruckend, wie sehr sie dieses Werk im letzten Jahr vollenden wollte und mit einer positiven Arbeitskraft daran geschaffen hat. Und sie hatte sogar auch das Glück, dass das Finnish Radio Symphony Orchestra noch eine Reading-Session für sie veranstaltet hat, sodass sie das Werk auch noch hören konnte. Sicherlich nicht in durchgeprobter Art und Weise, aber sie konnte es noch hören und mit Verneri Pohjola daran arbeiten.
Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.