Klassik Open Air in Hannover: Dirigent Cornelius Meister im Interview
Für Dirigent Cornelius Meister ist das Klassik Open Air ein nach Hause kommen: Viele bekannte Gesichter sieht der gebürtige Hannoveraner im Publikum, aber auch auf der Bühne. Warum die Stimmung so besonders ist, verrät der Dirigent im Interview mit NDR Kultur.
Vor zehn Jahren wurde das "Hannover Klassik Open Air" unter dem Motto "Oper für alle" ins Leben gerufen, Oper für Opernbegeisterte und die, die Oper kennenlernen möchten. Am 22. und 24. August gibt es eine große Jubiläumsshow mit der NDR Radiophilharmonie unter der Leitung von Cornelius Meister im Maschpark in Hannover. Auf dem Programm stehen viele Höhepunkte der vergangenen Konzerte aus den vergangenen Jahren, ein Best-Of sozusagen. Der Eintritt ist frei und das Publikum kann ganz entspannt picknicken und dabei der Musik lauschen.
Was macht für Sie den Charme mit einem so breit gefächerten Programm aus?
Cornelius Meister: Ich bin Hannoveraner und für mich in meine Heimatstadt zurückzukommen und in diesem wunderschönen, zauberhaften Maschpark zwei Aufführungen zu dirigieren, ist schon etwas Außergewöhnliches. Wir haben drei herausragende Soli und die NDR Radiophilharmonie, die sich unglaublich ins Zeug legt, dieses tolle Programm zu musizieren. Es ist schon eine große Wonne für mich.
Wie waren denn die ersten Proben? Seit Montag sind Sie in der Stadt.
Meister: Wir haben wie üblich ohne die Gesangssoli angefangen. Da habe ich mit meiner Brummelstimme ein bisschen gesungen und sehr viel über den Text und die Situation gesprochen. Bei solchen Zusammenstellungen ist es ganz wichtig, dass man innerhalb der ersten Takte bereits in der Stimmung der jeweiligen Szene ist. Wenn wir zum Beispiel, die große Arie des Cavaradossi aus "Tosca" in "E Lucevan le stelle" aufführen, dann ist es ganz wichtig zu wissen, das ist eine Stunde vor seinem Tod. Er hat gerade den Gefängniswärter bestochen, dass er seiner Floria Tosca noch ein paar Zeilen schreiben darf. Wenn man das weiß, musiziert man das ganz anders. Das war die Hauptarbeit des ersten Probentages.
Es sind großartige Solistinnen und Solisten mit dabei, darunter die Sopranistin Pretty Yende, die hat schon an der Met in New York und an der Scala in Mailand gesungen. Viele kennen sie vielleicht auch von ihrem Auftritt bei der Krönung von Charles. Kennen Sie sie?
Meister: Ja, natürlich. Wir haben gestern schon ganz ausgiebig miteinander geprobt, mit allen dreien: Pretty Yende, Wang Kang, der wunderbare Tenor, und Simon Keenlyside, einer der ganz großen im Baritonfach. Üblicherweise probe ich einerseits natürlich mit den Dreien und dem Orchester, aber ich probe auch mit Klavier und den Dreien, weil wir da in einer ganz intimen Atmosphäre proben. Ich spiele dann selber am Klavier, weil wir uns einfach als Musiker kennenlernen und uns austauschen. Manchmal spricht man über einzelne Takte, aber manchmal macht man auch einfach einzelne Takte fünf, sechs, sieben Mal, bis man eins ist. Das Tolle an der Musik ist doch, dass man ganz vieles nicht mit Worten beschreiben kann. Man müsste Thomas Mann sein, um es zu beschreiben. Wir machen die Stellen fünf, sechs, sieben Mal hintereinander und spüren dann: 'Jetzt sind wir auf einer Wellenlänge'.
Bei den Konzerten im Maschpark herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Der Eintritt ist frei und das Publikum kann ganz entspannt picknicken und dabei der Musik lauschen. Das ist ganz anders, als wenn es im Konzertsaal stattfindet. Wie wirkt sich das auch auf Sie und das Orchester aus?
Meister: Ich bin sehr dankbar, dass wir eine so hervorragende Tonabteilung an unserer Seite haben. Natürlich wird für die zehntausenden Menschen im Maschpark der Klang elektronisch verstärkt, ohne die elektronische Verstärkung wäre es über 500 Meter nicht hörbar. Wir versuchen bei uns auf der Bühne eine Atmosphäre zu kreieren. Das ist relativ leicht, denn ich schaue auf das wunderschöne Hannoversche Rathaus, was ich schon seit Kindertagen kenne, mit dem schiefen Fahrstuhl. Da kommen viele Erinnerungen hoch. In meinem Rücken weiß ich, dass ganz viele Menschen dort sitzen. Viele von ihnen hören die Werke sicherlich zum ersten Mal. Vielleicht haben sie auch die gesamte Familie mitgebracht von eins bis 99 Jahren. Dass diese Menschen in meinem Rücken einen lauschigen Abend verbringen und sich von Freud und Leid verzaubern lassen, ist toll.
Worauf freuen Sie sich besonders?
Meister: Es gibt unglaublich viele Menschen im Publikum, die ich wahrscheinlich im Laufe der letzten 44 Jahre kennengelernt habe und die ich nicht alle sprechen kann. Aber ich spüre sie irgendwie. Deswegen ist das für mich so eine Mischung aus 10.000 Menschen und andererseits auch Salon, Familie, Heimat, Freunde, Bekannte - eine schöne Mischung.
Das Gespräch führte Katja Weise.