"Fantasia" - Igor Levits neues Album hat es in sich
Igor Levits Klavier-Alben zeichnen sich durch eine genau überlegte Auswahl der Stücke aus. Sein neuestes Album "Fantasia" ist eine Reise von Bach bis Busoni. Man spürt, er lebt mit dieser Musik.
Mit einem "Earcatcher" - Johann Sebastian Bachs berühmter "Air" - beginnt Igor Levit sein Album "Fantasia". Ruhig lässt er das Tempo fließen - das sorgt für Entspannung, das öffnet die Ohren. Es ist auch nötig. Denn was dann auf diesem 105-Minuten-Album folgt, hat es in sich. Vier gewichtige Werke aus drei Jahrhunderten rund um das Thema "Fantasie", von Bach, Liszt, Berg und Busoni. Sie werden eingeleitet beziehungsweise ergänzt durch vier kürzere und leichter verständlichere Werke.
Igor Levits technische Souveränität
Nach der populären "Air" kommt die komplexe "Chromatische Fantasie und Fuge" von Bach. Relativ schlicht spielt Igor Levit Bachs "Chromatische Fantasie". Strukturen lassen sich gut verfolgen. Levit scheint hier auf Ökonomie aus. Das muss er auch - er würde vielleicht nicht sich, sondern seine Hörer überfordern. Denn die auf Bach folgende, gut 30-minütige h-Moll-Sonate von Liszt ist noch komplexer: ein Zwitter aus Sonate und Fantasie, ein dichtes Netz verschiedenster Themen, rhythmisch, lyrisch, grandios, halsbrecherisch.
Levit ist technisch souverän. Man spürt, er lebt mit dieser Musik, sie ist in ihm drin. Und er bleibt bei den vielen Schichten ganz klar.
Magische Klänge aus dem Klavier
Alle Stücke dieses Doppel-Albums beziehen sich mehr oder weniger aufeinander. An Liszts Sonate etwa schließen sich drei weitere Werke in h-Moll an, unter anderem ein Schubert-Lied, das Liszt für Klavier arrangiert hat, und dann die einsätzige erste Klaviersonate von Alban Berg. Igor Levit holt hier magische Klänge aus dem Klavier.
1908 schrieb Berg seine ebenfalls fantasieartige Sonate. Nur ein Jahr später begann Ferruccio Busoni mit seiner "Fantasia contrappuntistica", ein gut halbstündiges Mammut-Werk. Busoni nahm die unvollendete letzte Fuge aus Johann Sebastian Bachs "Kunst der Fuge" unter die Lupe. Da gibt es drei verschiedene Fugen-Themen und Busoni verarbeitet sie in seiner modernen Tonsprache.
"Fantasia": Intellektuelle, hochspannende Musik
Es ist wirklich beeindruckend, wie Igor Levit diese komplizierten vielstimmigen Überlagerungen der verschiedenen Schichten im Griff hat! Vom Hörer fordert diese intellektuelle Musik viel Offenheit und auch ein bisschen Anstrengung. Aber: Nach der extrem anspruchsvollen "Fantasia contrappuntistica" spielt Igor Levit noch ein kurzes Andantino von Busoni: "Nuit de Noël", Weihnachtsnacht.
Die Auswahl und Abfolge der Stücke ist auf dem neuen Album von Igor Levit sehr gut überlegt und im Charakter balanciert. Es ist keine leichte Kost, ein wenig intellektuell, aber hochspannend.
Fantasia
- Genre:
- Klassik
- Zusatzinfo:
- Musik von Bach, Liszt, Berg und Busoni Igor Levit, Klavier
- Label:
- Sony Classical