Mein heutiger Gast ist Igor Levit. Igor ist einer der besten Konzertpianisten der Welt – und das mit gerade mal 33 Jahren. Die New York Times nennt ihn einen der "bedeutendsten Künstler seiner Generation". Unter normalen Umständen wäre es gar nicht so leicht gewesen, Igor hier zu Gast zu haben – weil er locker 220 Tage im Jahr auf Reisen ist, für Konzerte, Festivals, als Dozent oder für Aufnahmen wie sein neuestes Album. Dieses Jahr wird ja der 250. Geburtstag von Beethoven groß gefeiert, und aus diesem Anlass hat Igor alle 32 Klaviersonaten von Beethoven eingespielt. Das ist ein echtes Mammutprojekt, für das er gerade überall gefeiert wird.
Dieses Frühjahr wollte Igor eigentlich auf große US-Tournee gehen. Aber dann passierte die Corona-Pandemie. Für Igor, der auf einmal keine Konzerte mehr geben darf, ist das, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Er beschreibt in unserem Gespräch, dass es sich anfühlt, als wäre er beruflich, künstlerisch, aber eben auch in seiner ganz persönlichen Leidenschaft einfach abgeschaltet worden. Und damit kommt er gerade nur schwer klar. Um wenigstens ein bisschen Ausgleich zu finden, hat Igor seit dem 12. März, also seit das mit den Ausgangsbeschränkungen hier in Deutschland losging, über 50 Mal abends aus seinem Wohnzimmer ein Hauskonzert gestreamt, auf Twitter und Instagram. Auch das finde ich so spannend an ihm: Igor ist – und das ist ziemlich ungewöhnlich für einen so prominenten Musiker in Deutschland, zumal in der Klassikszene – hochpolitisch. Er hat zigtausende Follower in den sozialen Netzwerken, wo er sich gegen Rechtsextremismus und die Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses einsetzt, und er nutzt auch immer wieder die Bühnen, auf denen er auftritt, für politische Statements.
Obwohl Igor und ich Ende April beide in unseren Wohnungen in derselben Stadt, nämlich Berlin, festsaßen, haben wir uns nicht persönlich getroffen, sondern zum Facetimen verabredet. Denn es ist ja immer noch so: Mit jeder Verabredung, jeder zusätzlichen sozialen Unternehmung könnten wir uns und vor allem die Menschen in unserem Umfeld gefährden. Wie Igor damit umgeht, warum er gerade deutlich besser schläft als sonst, aber auch deutlich wütender ist – über all das haben wir gesprochen. Zudem ging es um ein Tattoo, dass er sich vielleicht bald stechen lässt, darum, was einen guten Lehrer ausmacht und wie Igor im Laufe seiner Karriere gemerkt hat, dass man längst nicht alle Regeln befolgen muss.
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