CD der Woche: "O Jesulein…" - Ein deutsches Weihnachtsoratorium
Die Musikerinnen und Musiker vom Ensemble Clematis erzählen die Geschichte von Christi Geburt frei von Pathos. Die Stücke kommen ohne Zuckerguss und goldene Schleifen aus.
Die einen lieben Händels "Messias" - bei anderen kommt ohne Bachs "Weihnachtsoratorium" keine festliche Stimmung auf und wieder andere schwören alljährlich auf das "Oratorio de Noël" von Camille Saint-Saëns. Musik aus Oratorien landet im Dezember auch bei manchen Menschen auf der Playlist, die in allen anderen elf Monaten des Jahres kaum geistliche Musik hören. "O Jesulein… - A German Baroque Christmas Oratorio" ist ein Weihnachtsoratorium, das es so eigentlich nicht gibt. Das Ensemble Clematis hat es eingespielt.
Farbenreiche Klangbilder
Das Werk beginnt mit einem Eröffnungschoral von Wolfgang Carl Briegel. Noch nie gehört den Namen? Dann vielleicht Johann Rudolf Ahle, Samuel Capricornus oder Christian Flor? Alle vier und noch einige andere frühbarocke Kollegen sind mit ihren Kompositionen in diesem Oratorium vertreten.
Die Mitglieder vom Ensemble Clematis haben die Stücke so angeordnet, dass sie auch die Weihnachtsgeschichte erzählen. Feinfühlig und transparent im Zusammenspiel schaffen Musikerinnen und Musiker farbenreiche Klangbilder. Sie gestalten mit abwechslungsreicher Instrumentierung, mit differenzierter Artikulation und Dynamik - und vor allem mit überzeugendem Ausdruck.
Dem Komponisten Heinrich Schütz gewidmet
Andreas Hammerschmidt vertonte die Verkündigungsszene. Marias erste Reaktion auf die Nachricht klingt verstört und entsetzt. Auch die Erklärung des Engels hilft ihr nicht wirklich.
Es gibt in der frühbarocken Musik weniger eingängige Melodien als in Kompositionen aus dem Hochbarock. Bei den Vertonungen steht das Geschehen im Vordergrund, soll der geistliche Inhalt spürbar werden. Erst wenn die frohe Botschaft mit dem Herzen erfasst wird, darf frohlockt werden.
Heinrich Schütz prägte diese Art der Textvertonung maßgeblich, sein 350. Todestag wird in diesem Jahr gefeiert, und ihm ist die CD gewidmet. Schütz schrieb mit der "Weihnachtshistorie" auch das erste deutsche Oratorium. Mit einem Werk ist er selbst auf der Einspielung vertreten - ansonsten bekommen seine Zeitgenossen hier den Raum. Einer der bekannteren ist sicher Michael Praetorius.
Ohne Zuckerguss und goldene Schleifen
Die ungewohnten Klänge des Instrumentalsatzes kommen vom Rankett. Auch andere für die Zeit typische Blasinstrumente wie Krummhörner und Schalmeien nutzen die Mitglieder von Clematis. Außerdem hat sich das Ensemble einen tragbaren Zimbelstern entwerfen lassen. Ein Effektregister der Orgel, das Heiligabend in den Gottesdiensten traditionell in der letzten Strophe von "O du fröhliche" eingesetzt wird - in dieser Aufnahme bringt es den Morgenstern zum Leuchten.
Die Musikerinnen und Musiker vom Ensemble Clematis erzählen die Geschichte von Christi Geburt frei von Pathos. Die Stücke kommen ohne Zuckerguss und goldene Schleifen aus, denn sehr viel früher war nicht mehr Lametta, sondern gar keines.
O Jesulein… - A German Baroque Christmas Oratorio
- Label:
- Ricercar