CD der Woche: Ausnahmepianist Eric Lu spielt Schubert
Sein zweites Solo-Album widmet der chinesisch-amerikanische Pianist Eric Lu Schubert, den Komponisten, der ihn am meisten bewege. Darauf spielt Lu zwei Klaviersonaten und das Allegretto c-Moll.
Die Kritiker überschlagen sich, wenn es um den heute 25-jährigen Pianisten Eric Lu geht. Und auch die anspruchsvollen Klavierkollegen, die in der Jury bei diversen Wettbewerben saßen, an denen Lu teilnahm, waren von seinem Können überzeugt. 2015 war er jüngster (vierter) Preisträger des Warschauer Chopin-Wettbewerbs, 2018 gewann er die Leeds International Piano Competition. Die Tiefe seines Spiels wird mit großen Pianisten wie Radu Lupu oder Murray Perahia verglichen.
Eric Lu sucht nach der Wahrheit
Der Anfang von Schuberts später Sonate A-Dur zeigt es sofort: Eric Lu ist ein Pianist, der der Wahrheit so nahe wie möglich kommen möchte. Er trumpft nicht auf. Er braucht kein brillantes Forte, kein wildes Tempo. Er sucht nach der optimalen Balance der Dynamik und vom Geflecht der Töne, und wie diese miteinander verbunden sind.
Mit der Wahrheit ist das aber - besonders bei Schubert - so eine Sache. Die A-Dur-Sonate wurde im August 1828 beendet. Ahnte Schubert, dass er drei Monate später an seiner Syphilis-Erkrankung sterben würde? Er lebte schon lange mit dem Wissen, nicht geheilt werden zu können und doch vermittelt er in seiner Musik immer wieder Hoffnung.
Eric Lu geht Schubert mit einer großen inneren Ruhe an. Er hat sehr gemäßigte Tempi, die er sogar manchmal ein wenig zu zelebrieren scheint. Er scheut sich nicht vor den vielen "Schreck-Pausen", die Schubert hineinkomponiert hat. Jede einzelne Stimme im Tongeflecht hat bei Eric Lu ein eigenes Profil. Er spielt mit einer faszinierenden Klarheit.
Schuberts emotionale Ideenwelt
Schubert war ein Komponist voller Ideen, sie sprudelten nur so aus ihm heraus. Manches ist bei ihm aber auch rätselhaft. Dazu gehört die Klaviersonate a-Moll D 784 auf diesem Album. Eric Lu hat sie der späten A-Dur Sonate bewusst gegenübergestellt. Sie entstand 1822, in dem Jahr, als bei Schubert erstmals seine tödliche Krankheit diagnostiziert wurde. Es ist eine suchende, auch spröde und aufbegehrende Musik. Eric Lu stellt sich dem, er beschönigt oder glättet nichts.
Zwischen die beiden Klaviersonaten hat Eric Lu ein selten gespieltes Einzelstück von Schubert gestellt, das Allegretto c-Moll. Auch das ist ein suchendes Stück mit einem eher düsteren Charakter.
Man muss sich auf diesen nachdenklichen, diesen philosophierenden, aber immer ehrlichen Schubert von Eric Lu einfach einlassen. Man kann diesem Pianisten mit den vielen Anschlagsfacetten einfach folgen und sich durch die Ideenwelt von Schubert führen lassen, und man wird fasziniert sein, wie Schubert und Eric Lu die unterschiedlichsten Emotionen gestalten.
Schubert
- Label:
- Warner Classics