Bachchor Hannover: Jörg Straube verabschiedet sich nach 38 Jahren
Am Gründonnerstag und Karfreitag ist es soweit: Jörg Straube dirigiert zum letzten Mal Bachs Matthäuspassion in der Marktkirche in Hannover. Für Bachchor, Bachorchester und Publikum ein emotional aufgeladener Abschied.
Jörg Straube steht vor der Marktkirche in Hannover und schaut in die Ferne. Immer wieder ist er in diese Kirche gegangen, immer wieder hat er in den vergangenen 38 Jahren für besondere Aufführungen gesorgt. "Ich kann mich gar nicht speziell daran erinnern, was besonders war, weil es immer besonders war", sagt die Cellistin Dorothee Palm, eine aus dem nicht so kleinen Kreis derer, die fast alles mitgespielt haben.
Die Matthäuspassion hat er nicht ganz so häufig aufgeführt wie zum Beispiel das Weihnachtsoratorium, aber doch 15 bis 20 Mal. 1978 hat Jörg Straube seinen ersten "Messias" mit historischen Instrumenten dirigiert. Einige sind bis heute dabei. "Wir haben wahnsinnig gerungen, einfach auch um Dinge in der Alten Musik. Ich, der so klanglich orientiert war, und die, die so froh waren, dass man sprechend spielt. Da haben wir glaube ich eine Hannoversche Lesart gefunden, die toll ist", blickt Straube auf die langjährige Arbeit mit dem Bachchor Hannover zurück.
Straubes Wunsch nach vollem Klang
Die Verbindung von rhetorischem Spiel auf historischen Instrumenten und seinem vom Gesang herkommenden Wunsch nach einem vollen Klang, das betraf das Repertoire von Barock bis Romantik: "Das war immer wieder Thema in den Proben, dass er, auch wenn wir romantische Sachen gespielt haben - natürlich spielt die Alte Musik da auch eine Rolle - da hat er immer wieder gesagt: Das ist hier nicht barockes Gezicke, ich will jetzt mal ein bisschen Klang, macht mal ein bisschen Vibrato und geht mal rein in die Saite", erzählt Dorothee Palm.
Straube: Matthäuspassion perfekt komponiert
Schon beim letzten Mal hat der Bach-Chor die Matthäuspassion auswendig gesungen, diesmal soll es wieder so sein. Für den Chor ist es immer eine Herausforderung, auswendig zu singen: "Aber es ist ganz gut, und sie sind so gezwungen, nach vorne zu gucken", so Straube.
Das Stück verfeinere sich und es entwickelten sich bestimmte Dinge weiter. "Das, was man im Theater Subtext nennt, das finde ich wahnsinnig wichtig." Was Jörg Straube damit meint: Einen sprechenden Ausdruck - und den muss man für jedes Stück wieder neu finden. Er will nicht werten, aber wenn man ihm zuhört, versteht man, warum er die Matthäuspassion für seinen Abschied ausgewählt hat. "Beide Stücke haben dieses Zentrum mit dieser Theologie 'Aus Liebe will mein Heiland sterben', dieser menschenzugewandte oder Mensch seiende Jesus im Verhältnis zu einem Jesus, der von Gott gesandt ist und quasi so theologisch funktioniert wie in der Johannespassion. Ich liebe die Johannespassion auch, Bach hat da mehr herumexperimentiert, immer wieder versucht zu jonglieren, bis die Proportionen so stimmten. Das ist bei der Matthäuspassion überhaupt nicht der Fall, das ist nahezu perfekt komponiert, wirklich perfekt", sagt Straube voller Begeisterung.
Repertoire noch lange nicht ausgeschöpft
Und wie schaut die Zukunft aus für diesen Vollblutmusiker, der noch bis vor kurzem in Würzburg Professor war? Ein Rentnerdasein als Musiker sei nicht gut, sagt Jörg Straube. Er wird weiterhin proben, mit dem Landesjugendchor, mit seinem 1981 gegründeten Norddeutschen Figuralchor: "Ich habe das ganze Repertoire überhaupt nicht ausgeschöpft, was es da so gibt. Obwohl ich das 50 Jahre gemacht habe, habe ich einen Bruchteil an Stücken gemacht. Wenn ich meine Noten zu Hause anschaue, denke ich: Das hast du noch nicht gemacht und das nicht und das nicht. Es gibt so viel, was man noch nicht getan hat."