Album der Woche: Barbican Quartet - Manifesto on Love

Stand: 09.06.2024 06:00 Uhr

"Manifesto on Love", also Manifest der Liebe, heißt das Debütalbum des Ensembles Barbican Quartet, mit Werken von Robert Schumann, Dobrinka Tabakova und Leoš Janáček.

von Marcus Stäbler

2022 hat das Barbican Quartet beim ARD Musikwettbewerb ordentlich abgeräumt. Das international besetzte Ensemble hat nicht nur den ersten Preis gewonnen, sondern auch einen Sonderpreis des Labels Genuin, der ihm die Produktion eines Debütalbums ermöglicht.

Janáčeks Extremzustände der Liebe

Zum Auftakt: hitzige Leidenschaft. Die Unterstimmen scheinen zu brodeln. Wenig später: ein unendlich zärtlicher Gesang. Und dann wieder: höchste Erregung, mit flirrenden Geigen. Mit solchen Sounds durchlebt Leoš Janáček die Extremzustände der Liebe in seinem Streichquartett mit dem Titel "Intime Briefe". Diese musikalischen Briefe richtet er an Kamila Stösslova, eine 38 Jahre jüngere Frau, die der Komponist anhimmelt, verklärt und begehrt.

Janáček selbst ist schon 74 Jahre alt, als er das Quartett schreibt. Aber in der Musik glühen die Emotionen eines jungen Menschen. Diesen Eindruck bestärken die Mitglieder des Barbican Quartet mit ihrer Aufnahme. Sie schärfen den Kontrastreichtum des Stücks, mit einem breiten Spektrum vom gläsernen Pianissimo bis zu Momenten, in denen sich die Panik ins Herz frisst. Das ist packend interpretiert.

Mit Lust am Risiko

Das Barbican Quartet spielt mit Lust am Risiko und scheut sich nicht, an Grenzen zu gehen. Der Klang ist hell und vielleicht ein bisschen stark von der ersten Geige dominiert. Dadurch fehlt ihm für meinen Geschmack manchmal etwas die Wärme. Gerade im zweiten Hauptwerk des Albums, dem A-Dur-Quartett von Robert Schumann. Das Stück sei ein Liebesbrief Schumanns an seine Frau Clara, behauptet die Cellistin des Barbican Quartet im Beihefttext. Diese Idee haben sie und ihre Mitstreicher vor allem im langsamen Satz empathisch in Töne gefasst. Dort nehmen sie sich Zeit, um die Melodien auszusingen und schmachten zu lassen.

Emotionale Interpretationen

Das 2014 gegründete Quartett zeigt eine klare Handschrift: mit dem sehr eigenen Klang, mit den emotionalen Interpretationen, aber auch mit dem Programm. Es erweitert die beiden Hauptwerke um eine kurze Liedbearbeitung von Schumann und um ein farbenreiches Stück von Dobrinka Tabakova, entstanden 2022, als Auftragswerk des ARD-Musikwettbewerbs. Auch bei Tabakova demonstriert das Ensemble seine Lust daran, verschiedene Stimmungen und Klangzustände auszureizen.