Matthias Well und Lilian Akopova - Faszination Jazz
Matthias Well stammt aus einer der bekanntesten Musiker-Familien Bayerns. Mit Jazz kam der klassisch ausgebildete Geiger schon in seiner frühen Kindheit in Berührung. Seine französische Großmutter hatte in den 1920er-Jahren engen Kontakt zur Pariser Jazzszene.
Dieses musikalische Erbe greift Matthias Well mit seinem Album "Jazzissimo" auf. Gemeinsam mit der armenisch-ukrainischen Pianistin Lilian Akopova hat er unter anderem Stücke von Ravel, Piazzolla, Gershwin und Milhaud eingespielt, die alle eine direkte Verbindung zum Jazz erkennen lassen und sich an der Grenze zwischen Jazz und Klassik bewegen.
Matthias, was für einen Bezug hast du zum Jazz?
Matthias Well: Jazz hat mich schon immer fasziniert, weil das für mich etwas total Freies hat, etwas total Ungebundenes, Lebendiges und auch sehr Kreatives. Im Gegensatz zur Klassik kann man sich wahnsinnig frei austoben. Vielleicht klingt ein Stück mal so und beim nächsten Mal komplett anders. Außerdem hat es auch etwas sehr Kommunikatives. Wenn man mit jemandem zusammenspielt und improvisiert, muss man sich auf andere Personen verlassen können und einfach reagieren. In der Klassik ist es schon ein bisschen enger und strukturierter. Ich komme aus der Klassik und auch aus der Volksmusik. In der Volksmusik ist es eher ungebundener. Aber genau deswegen finde ich den Jazz auch so faszinierend, weil er komplett anders ist.
Lilian, wie ist das bei dir, was für einen Bezug hast du zum Jazz?
Lilian Akopova: Seit meiner Kindheit habe ich immer zu Hause Jazz gehört, weil mein Onkel ein Jazzer war, er lebt leider nicht mehr. Bei uns zu Hause hat er immer Klavier gespielt und improvisiert. Er hat mir immer wieder gesagt, dass man nicht nach Noten spielen, sondern ganz frei improvisieren soll. Ich habe ihm sehr viel zugehört und auch sehr viel von ihm lernen können. Er war sehr gut in dem, was er gemacht hat. Er hat zum Beispiel auch Saxophon gespielt und war mit großen Bands unterwegs. Zu Hause haben wir zum Glück sehr viel Jazz gehört. So habe ich meine Vorbilder schon in ganz jungen Jahren gehört und gesehen. Dadurch ist die Liebe zum Jazz entstanden und damit auch die Freiheit und Kommunikation, das Zusammenspiel und das Nichtnachdenken, sondern den Moment einfach sich überlassen.
Lilian, du bist in der Ukraine aufgewachsen und deine musikalische Begabung wurde dort früh erkannt. Du hast in Kiew eine spezielle Musikschule besucht und mit Auszeichnung abgeschlossen. Dann bist du nach München gegangen und lebst dort bis heute. Du hast die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Welchen Bezug hast du zu deiner Heimat?
Akopova: Ich leide seit Anfang dieses Krieges sehr, weil meinem Land so etwas Schreckliches passiert. Ich habe natürlich immer noch den Bezug zu den Leuten dort. Ich habe noch Verwandte, die sich entschlossen haben, bis zum Schluss zu bleiben, egal, was passiert. Meine Eltern habe ich hierher geholt, die sind in Sicherheit. Aber es ist schon wahnsinnig schwer auszuhalten. Ich merke, dass ich nicht viel machen kann. Wir haben ein Benefizkonzert organisiert, in dem Matthias auch mitgespielt hat. Da haben wir eine große Summe an Geld gesammelt, und viel mehr können wir als Musiker nicht tun. Natürlich ist mein Herz in der Ukraine, aber das Leben geht hier weiter und man bleibt optimistisch, dass dieser schreckliche Krieg bald ein Ende hat.
Das Gespräch führte Claus Röck.