Jazzpianist Michael Naura ist tot
Michael Naura - dieser Name ist fest mit Jazz verbunden. Mit allen großen Stars hat er zusammengearbeitet. Erst als Musiker - dann als einer der wichtigsten Fachleute und Strippenzieher. Jahrelang war Naura Jazzredakteur beim NDR. Am Montag ist er im Alter von 82 Jahren gestorben. Zuletzt lebte Michael Naura zurückgezogen in Hollbüllhuus bei Husum (Nordfriesland).
NDR Intendant Lutz Marmor: "Der NDR trauert um Michael Naura. Michael Naura war brillant. Von vielen als Jazz-Papst verehrt, hat Michael Naura im NDR unüberhörbare Akzente gesetzt. Er verantwortete die legendären NDR Jazzworkshops, kämpfte unermüdlich für 'seine' Musik und jazzte selbst am Klavier. Mit seinem Tod verliert der deutsche Jazz eines seiner Urgesteine."
Drei Jahrzehnte NDR Jazzredaktion
"Radio ist Klang", das war das Credo von Michael Naura. Von 1971 bis 1999 leitete er die NDR Jazzredaktion. Mit seiner ausdrucksstarken Stimme gab er seinen Worten im Radio einen hohen Wiedererkennungswert. Facettenreich und intuitiv sprach er ins Mikrofon, mal sanft berührend, mal provozierend. Bereits als junger Musiker hatte er zum ersten Mal ein Studio des NDR betreten. 1957 machte Naura dort als Pianist mit seinem Quintett die ersten Aufnahmen.
Nachkriegs-Jazzer und Redakteur
In Deutschland gehörte er zur ersten Generation von Jazzmusikern nach dem Zweiten Weltkrieg - neben Albert Mangelsdorff, Heinz Sauer, Ernst-Ludwig Petrowsky und dem Vibrafonisten Wolfgang Schlüter. Gemeinsam mit ihm war Naura von Berlin aus als Jazzmusiker aufgebrochen. Es folgten Jahre als Berufsmusiker, Erfolge mit dem Quintett und durchspielte Nächte in den Clubs. Dann kam eines Tages der Ruf des NDR Unterhaltungschefs Henri Regnier: "Micki, kommen Sie zu uns." Der Musiker wurde zum Jazzredakteur. Schreiben, Sprechen, Programme auszuwählen, Konzerte mit nationalen und internationalen Musiker für das Radio zu produzieren, das war fortan sein Metier. Das eigene Schaffen als Musiker stand nun im Hintergrund. Dabei machte er 1978 eine seiner vielen wichtigen Entdeckungen: den Gitarristen Pat Metheny.
Zusammenarbeit mit Musikern und Dichtern
Michael Naura wurde 1934 in Memel, dem heutigen Klaipeda, geboren. Seine Kindheit war geprägt von den Luftschutzkellern im Berliner Osten. Und dort entstand auch seine außerordentliche Beobachtungsgabe, die später in vielen seiner Radio-Sendungen hörbar werden sollte. Seine Schulzeit verbrachte er in Ost-Berlin. Nach dem Abitur studierte er Soziologie und Philosophie an der FU Berlin und an der Meisterschule für Grafik und Buchgewerbe.
Das Klavierspiel erlernte er autodidaktisch. Nach 1945 verschrieb er sich dem Jazz, gehörte mit Mangelsdorff zur Gründergeneration des modernen Jazz in Deutschland. Als Komponist verfasste er über 400 Werke. Seit den 60ern verband Naura eine innige Zusammenarbeit mit dem Lyriker Peter Rühmkorf. Beide waren die Erfinder einer besonderen Spielart von "Jazz+Lyrik". Nauras Spitzname: Leo Doletzki - nach einem Gedicht von Rühmkorf, in dem "ein älterer Herr in einem cognacfarbenen Mantel orientierungslos umherirrt".
Als Journalist schrieb Naura für "Die Zeit", "Spiegel", "Der Tagesspiegel" und Bücher wie "Jazz Toccata". Nauras Hörspiel "Der lange Sturz" für den NDR über Chet Baker wurde auf der Leipziger Buchmesse uraufgeführt.
Michael Nauras Hamburger Jazz-Anthologie
Michael Nauras Hamburger Jazz-Anthologie entstand 2001 für die Sendereihe "sounds&bytes". In 25 Miniatur-Essays stellte der Autor auf "nauraeske" Art Jazz-Legenden vor. Ohren-Gold! Hier fünf Beispiele daraus: