Jazzalbum der Woche: "In Search of a Better Tomorrow" EABS meets Jaubi
Zwischen diesen Formationen liegen Kontinente und Kulturen. Das Quintett "Electro-Acoustic Beat Sessions" (EABS) und das Trio Jaubi fanden über die Konzertreihe "Get Your Jazz Together" zusammen.
Die Mitte zwischen Polen und Pakistan, sie liegt in Gniewoszow. 58 Einwohner, Kirche von 1693, viel Wald, die tschechische Grenze liegt zwei Hügel weiter. Und ein bisschen außerhalb sind die Monochrome Studios. In denen trafen sich vergangenen August gleich zwei Bands: EABS, das ist ein Quintett aus Breslau. Und Jaubi, das ist ein Trio aus Lahore. Zwischen diesen beiden Formationen liegen Kontinente und Kulturen.
Und über ihrer ersten Begegnung lag dann auch noch die ganze tonnenschwere Last dieses Sommers: Corona gerade erst halbwegs im Griff, Russland beim Überfall auf die Ukraine und Wasserfluten kosten in Pakistan tausende Menschen das Leben. Das ist die Realität, aus der die acht Musiker sich aufmachten - auf die Suche nach einem besseren Morgen, so der Albumtitel.
Unterschiede betonen und Gemeinsamkeiten ausloten
Die ungewöhnliche Kombi aus EABS und Jaubi nahm ihren Anfang bei der Konzertreihe "Get Your Jazz Together", beide Bands werden nun verlegt bei Polens rührigem Astigmatic-Label. Und rückten immer weiter zusammen: EABS-Keyboarder Marek "Latarnik" Pedziwiatr kam 2021 nach Lahore und begleitete die Sessions zum Jaubi-Album "Nafs at Peace". Und Jaubi waren nun nach Europa gekommen, hatten beim polnischen OFF-Festival gespielt, bevor die beiden Bands sich eine Woche in der Einsamkeit im Süden Polens einschlossen.
Und ins Gespräch kamen. Ihre Unterschiede betonten und ihre Gemeinsamkeiten ausloteten. Und von beiden gibt es eine Menge: Die Polen haben Jazz-Legende Krzysztof Komeda mit sehr zeitgemäßen Beats und Sounds Tribut gezollt, haben sich mit Funk und Rap-Poesie verbeugt vor der "Discipline of Sun Ra" und den melancholischen "Slavic Spirits" nachgespürt. EABS arbeitet mit Elektronik und Soundscapes, der Bandname steht ja nicht umsonst für "Electro-Acoustic Beat Sessions". Und dann Jaubi: Die kombinieren indische Klassik, Ambient, eine große Liebe zu John Coltranes "A Love Supreme" und zum HipHop.
Ekstase des Spiritual Jazz
Es gab also viel zu reden. Viel zu suchen. Und zu finden: Wie sich die polnischen Musiker rund um den alles bestimmenden Raga in "Strange Love" herumschlängeln, wie die Pakistani der traurig-schönen Melodie des Stoßseufzers "Raise Your Hands, Drop Your Guns" folgen und wie alle gemeinsam gleich anfangs bei "Judgement Day" und am Ende bei "Sun" aus total unterschiedlichen Richtungen kommend die Ekstase des Spiritual Jazz spüren lassen - das ist kein willkürliches Nebeneinander der Ideen, das ist ein höchst sensibles, mühsam erkämpftes Miteinander. Und keine Selbstverständlichkeit - bei dieser Ausgangslage. Klar, gab es alles schon mal - und zwar gerade auch bei ein paar der erklärten Vorbilder aller acht Musiker: Pharoah Sanders etwa oder auch Don Cherry. Und das Genre ist mit "globalem Jazz" auch erst mal ganz treffend umrissen. Aber eben auch arg klischeehaft angesichts dieser Musik, die ganz frei ist von solchen Klischees.
Vom eher dunklen, melancholischen Unterton der Aufnahmen seien sie selbst überrascht, so geben die Musiker zu Protokoll. Und lassen das erstaunliche Ergebnis dieser Studio-Woche für sich sprechen: Immer wieder überraschend, immer wieder gewagt und am Ende wirklich in der Mitte zwischen Pakistan und Polen, zwischen all den Kontinenten und Kulturen. Distanzen sind überwindbar.
"In Search of a Better Tomorrow"
- Genre:
- Jazz
- Zusatzinfo:
- Erhältlich im Online Shop auf https://eabs.bandcamp.com/album/in-search-of-a-better-tomorrow
- Label:
- Astigmatic Records
- Veröffentlichungsdatum:
- 12.05.2023
- Preis:
- ab 11,50 €