Frauen im Jazz: Wie Musikerinnen gegen Ungleichheit netzwerken
Was das Geschlechterverhältnis im Jazz angeht, ist für Frauen immer noch viel Luft nach oben. Mit Netzwerken oder Musikprojekten wie Sisters in Jazz arbeiten Musikerinnen daran, dies zu ändern.
Als die Amerikanerin Ingrid Jensen, eine Pionierin auf der Trompete, 1994 ihr Debütalbum "Vernal Fields" beim deutschen Label Enja herausbrachte, war es ihr wichtig, für ihre Musik wahrgenommen zu werden. "Du brauchst gar nicht zu sagen, dass ich eine Frau bin. Ich möchte nicht als eine Besonderheit auf der Bühne wahrgenommen werden. Die Leute sollen für sich entscheiden, ob sie mögen, wie ich spiele."
Das Jazz Women Network zeigt, wer am Start ist
Einfach für ihr Spiel respektiert werden, ungeachtet ihres Geschlechtes, wollen natürlich alle Jazzerinnen. Seit 1994 hat sich viel getan. Auf allen anderen Instrumenten gibt es zahlreiche erfahrene, virtuose, hoch ausgebildete und kreative Musikerinnen. Für diese hat Saxofonistin Nicole Johänntgen ein Netzwerk gegründet. "Ich habe immer zu Ohren bekommen: Wir wissen ja gar nicht, wer in der Szene ist", so Johänntgen. "Um das einfacher zu machen, kann man unsere Webseite besuchen - und siehe da: Da findet man schon einige Frauen, die Jazz machen."
SOFIA: Abends musizieren und tagsüber übers Business reden
Johänntgen, Gründerin von www.jazzwomennetwork.com, ist Saxofonistin. Sie spielt bei der Band Sisters in Jazz und organisiert überdies alle zwei Jahre unter dem Titel SOFIA (Support of Female Improvising Artists) Workshops und Coaching-Programme für junge Frauen im Jazz. "SOFIA verbindet Workshops zum Business tagsüber mit Konzerten und Jam-Sessions am Abend", erklärt die Künstlerin. "Die Musikerinnen treffen sich, spielen zusammen, tauschen ihre Erfahrungen aus und wachsen. Es ist immer wieder interessant, die Teilnehmerinnen am Anfang der Woche kennenzulernen und am Ende des Workshops zu sehen, wie ihre Augen funkeln!"
Sisters in Jazz: Netzwerk und Musikgruppe zugleich
Sisters in Jazz ist ein Community-Netzwerk, aber eben auch praktisches Musizieren. Teil davon ist die Vibrafonistin und Multiinstrumentalistin Izabella Effenberg. "Wir haben 2015 mit sieben Sisters beim Ystad Jazz Festival in Schweden gespielt und seitdem unser Netzwerk ständig erweitert", erklärt Effenberg. "Wir tauschen uns zum Beispiel darüber aus, wie man es schafft, das Familienleben mit dem künstlerischen Leben zu verbinden." Die Musikerin hat einen Sohn, der in die erste Klasse geht.
"Es ist Zeit für eine weibliche Lesart des Jazz"
Effenberg spielt im Duo mit der Sängerin Esther Kaiser, die als Gesangs-Professorin in Dresden den Nachwuchs unterstützt, die eigene Stimme zu finden und als Songwriterin die eigene Sichtweise auszudrücken. "Der Jazz war ja bisher sehr männlich geprägt, auch in seiner musikalischen Aussage", so Kaiser. "Ich finde, es ist Zeit für eine weibliche Lesart des Jazz. Und dabei helfen weibliche Kollektive wie Sisters in Jazz auf jeden Fall."
Warum heute weibliche Netzwerke und Bands immer noch wichtig sind, fasst die Hannoveraner Bassistin Clara Däubler zusammen: "Netzwerke für ausschließlich weiblich gelesene Menschen werden hoffentlich irgendwann nicht mehr nötig sein. Aber solange diese große Unausgewogenheit im Geschlechterverhältnis existiert, sind sie enorm hilfreich."