Bosse sitzt neben einem Plastikeinhorn vor dem Hurricane-Schriftzug.  Foto: Benjamin Hüllenkremer

Hurricane virtuell 2020: Mit Abstand, Musik - aber ohne Fans

Stand: 20.06.2020 21:09 Uhr

Das Hurricane-Festival hat 2020 virtuell stattgefunden. Stars wie Bosse und Leoniden kamen zum Dreh für das Hurricane virtuell. Gemeinsam mit alten Konzertausschnitten wurde es Online und im NDR gezeigt.

von Marcel Stober

Ein bisschen verlassen wirkt das Gelände ja schon. Nähert sich ein Fahrzeug dem Eichenring in Scheeßel, dann staubt der trockene Feldweg hinter ihm wie im wilden Westen. Das Gras ist hüfthoch, die Sonne über der Sandrennbahn brennt und normalerweise würde man kaum einen Fuß vor den anderen setzen können. Dann feiern hier 70.000 Menschen an drei Tagen das Hurricane-Festival. An diesem Tag aber sind es etwa 69.930 weniger - und die, die hier sind, sind zum Arbeiten gekommen. Denn trotz Corona-Krise findet das Hurricane statt. Nur eben anders. In Zusammenarbeit mit ARTE entstehen hier an einem Tag Ersatz-Shows ohne Zuschauer, dafür aber mit Live-Musik, Rückblicken auf die vergangenen Jahre und prominenten Gästen. Keine Stimmung vor Ort, dafür aber zu Hause vor den Bildschirmen. Was die Fußball-Bundesliga kann, kann das Hurricane schon lange!

#HurricaneSwimTeam beginnt mit Festival-Song

Der Dreh für das Hurricane virtuell beginnt früh am Morgen - und zwar so, wie ein normales Hurricane-Festival seit drei Jahren beginnt: Auf vier kleinen mit Sicherheitsabstand aufgebauten Podesten hat sich das #HurricaneSwimTeam eingerichtet. Die Band besteht aus den Veranstaltern des Festivals und verpackt das Hurricane-Geschehen jährlich in einem Song. Auslöser waren Starkregen und Überflutungen, die 2016 zu dem Song "Am sichersten seid ihr im Auto" geführt haben. In diesem Jahr hat die Gruppe ihren eigenen Hit gecovert - und schmettert "Am sichersten sind wir zu Hause" vor einer Handvoll Kameraleuten. Die Hoffnung auf ein gutes Jahr 2021 durchzieht natürlich ihren Songtext. Dann wollen sie mit den Fans nämlich wieder "zusammen eskalieren" können.

Bosse spielt unplugged, Leoniden spielen Karten

Bosse spielt unplugged beim Virtual Hurricane 2020.  Foto: Benjamin Hüllenkremer
Bosse hat zwar nicht die Augen zu, aber die Musik an.

Nach und nach kommen auch die Künstler des Tages an, manche sogar im eigenen Wohnmobil. Sie reihen sich ein in die Campingbusse, die das Produktionsteam zur Deko auf der gegenüberliegenden Seite des Eichenrings aufgebaut hat. Bosse singt auf der kleinen Bühne sein "Augen zu, Musik an" zur selbst gespielten Akustikgitarre. Währenddessen ist auch die Kieler Band Leoniden in Scheeßel eingetroffen und beschäftigt sich mit einer Runde "Black Jack". Die Leoniden sind der Headliner des Virtual Hurricane - sie sollen mit Einbruch der Dunkelheit ein kleines Konzert spielen.

Clevere Hurricane-Küche mit Marianus von Hörsten

Weltmeister-Jungkoch Marianus von Hörsten am Grill auf dem Hurricane-Platz in Scheeßel 2020.  Foto: Benjamin Hüllenkremer
Weltmeister-Jungkoch Marianus von Hörsten zündelt am Grill.

Auch ein Foodtruck hat das Gelände mittlerweile erreicht. Hier wird Marianus von Hörsten, Weltmeister der Jungköche 2017 und großer Hurricane-Fan, mit den Künstlern einfache Festival-Gerichte zubereiten. Er stellt einen Tisch mit ein paar Bänken und einen kleinen Grill auf das Feld. Auf der Speisekarte stehen Shakshuka, ein vegetarisches Gericht auf Tomatenbasis, und Rindfleisch. Bosse und Jen, Sängerin der Berliner Elektro-Band Grossstadtgeflüster, kommen für den ersten Gang hinzu. Später schauen noch Porky von Deichkind und Moderator Elton vorbei. Von Hörsten gibt zu, dass seine Ex-Freundin großer Bosse-Fan war, weshalb er schon vor Jahren bei dessen Konzerten im Publikum stand. Er schüttet Kartoffeln, Karotten, Tomaten, Aubergine und Kichererbsen für das Shakshuka in zwei Blechdosen und stellt sie für ein paar Minuten in die heiße Glut. Bosse schlägt an der Kante einer Dose noch ein Ei auf und lässt es hineinfließen.

Sorgen um Kreativ-Branche in und nach Corona

Bosse, Jen von Grossstadtgeflüster, Elton und Porky von Deichkind sitzen in einem Halbkreis auf Campingstühlen auf dem Eichenring in Scheeßel 2020.  Foto: Benjamin Hüllenkremer
Bosse, Jen von Grossstadtgeflüster, Elton und Porky von Deichkind diskutieren über Corona-Folgen.

Die Sonne ist mittlerweile über den Eichenring gewandert. Die Musiker Bosse, Porky und Jen treffen sich zum Talk vor den Campingmobilen und sitzen in einem Halbkreis unterschiedlichster Campingstühle auf Abstand. Mit dabei sind auch Elton, der bei jedem Hurricane-Festival seit Beginn 1997 als Fan dabei war, und Stephan Thanscheidt, der nicht nur im #HurricaneSwimTeam Bass spielt, sondern auch Geschäftsführer des Veranstalters FKP Scorpio ist. In ihrem Talk geht es recht schnell um ihre Sorgen wegen Corona. Wann und ob es in der Kreativ-Branche wieder normal weitergehe, darüber sind sich die fünf uneinig. Gemeinsam erinnern sich die Talk-Gäste aber auch an schöne Momente des Hurricane - etwa an 2011, als Elton nach einer Wette mit den Foo Fighters die Band ansagen durfte.

Hurricane-Abschluss: Leoniden rockig und stimmungsvoll

Jakob Amr, Lennart Eicke und Djamin Izadi von den Leoniden spielen beim Hurricane 2020 in Scheeßel.  Foto: Benjamin Hüllenkremer
Die Kieler Band Leoniden (hier Jakob Amr, Lennart Eicke und Djamin Izadi) lassen das "Festival" rockig ausklingen.

Die Leoniden werden bei diesem Ersatz-Festival von Bosse angesagt. Bei Songs wie "River" oder "Why" muss die Band zwar auf den Chor verzichten, der in den Studioversionen zu hören ist, die hohe Stimme von Sänger Jakob Amr ist aber dennoch beeindruckend. Er tanzt zu den schnellen Songs der Band über die Bühne. Der Rest der Gruppe versprüht genauso Energie, etwa Gitarrist Lennart Eicke, der bei seinem auffälligen Tanzen nahezu unzählige Kniebeugen einbaut. Dass bei ihrem Auftritt irgendwann sogar die Technik aussetzt, stört die Band nicht. "Geht's euch gut?", ruft Jakob Amr irgendwann zu den etwa 20 Leuten vor der Bühne. Bei dem natürlich etwas verhaltenen "Wuhuu" aus dem "Publikum" muss er dann auch lachen. "Wir haben schon vor weniger gespielt", ruft er. Mit einer Zugabe der Band endet dieses ungewöhnliche Hurricane, das in mehreren Sendungen auf NDR.de gestreamt wurde - das "echte" Hurricane aber natürlich nicht im Ansatz ersetzen kann.

Weitere Informationen
Fans beim Hurricane Festival 2019 in Scheeßel.  Foto: Benjamin Hüllenkremer

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur - Das Journal | 08.06.2020 | 22:45 Uhr

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