Wo sich Pop an der Klassik bedient: Der Hamburger Musiker Pintev
Stefan Pintev hat u.a. für Helene Fischer Musik arrangiert und stand mit Pop- und Jazz-Größen wie Udo Lindenberg, Bobby McFerrin und Shakakan auf der Bühne.
Pintev ist ein perfektes Beispiel dafür, wie und wo Pop sich an der Klassik bedient - und umgekehrt. Ein Porträt des Hamburger Musikers, der seit 1988 Mitglied im NDR Elbphilharmonie Orchester ist und gleichzeitig auch - zumindest bis 2015 - Konzertmeister im Orchester von James Last war.
Lady Gaga, Robbie Williams und Phil Collins bedienen sich der Klassik
Klassik und Pop: Auf den ersten Blick scheint es da mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zu geben. Doch selbst die größten Künstler:innen, wie Lady Gaga, Phil Collins, Madonna und Robbie Williams bedienen sich gern mal der Klassischen Musik.
Der Geiger Stefan Pintev ist in beiden Genres zu Hause. Er hat u.a. für Max Mutzke, Till Brönner, Anastasia und Howard Carpendale Streicher-Sounds eingespielt.
Stefan Pintev: Klassik und Pop wird zu stark getrennt
Klassik und Pop-Musik könnten viel mehr voneinander profitieren, sagt Stefan Pintev, wenn die Grenzen nicht so starr wären: "Leider wird es heutzutage immer noch stark getrennt. Wenn man wirklich ernsthaft mal von der einen Seite auf die andere schauen würde, könnten durchaus beide Seiten davon profitieren."
Stefan Pintev hat im Hauptfach Violine an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg studiert. Doch weil er über den Teller-Rand der Klassik hinausschauen wollte, belegte er zusätzlich noch ein Studium im Bereich Popularmusik. "Ich bin klassisch aufgewachsen von früh an, habe klassische Musik studiert. Ich habe mich aber sehr früh auch mit Jazz und Pop beschäftigt, weil mich das interessiert hat. Es hat immer etwas mit Neugier, Begeisterung, Leidenschaft und Interesse zu tun: So kann man durchaus beides lernen."
Gefragte Streicher-Sounds aus Pintevs Tonstudio in der Popszene
Die Streicher-Sounds, die Stefan Pintev in seinem Hamburger Tonstudio aufnimmt, sind in der Popszene sehr gefragt. Es kommt nicht selten vor, dass ein Pop-Star bei ihm anruft, und um ein Arrangement bittet : "In diesem Fall frage ich immer zunächst nach der Vision, wie er sich den Streicherklang vorstellt und wie wir sie am besten einsetzen können. Anschließend erarbeiten wir das Ganze im Detail."
Anstelle von preiswerten Sample-Sounds, also von Klängen, die vom Computer erzeugt werden, setzt Pintev auf Original-Einspielungen. "Natürlich bevorzuge ich immer Original-Sounds. Sample-Sounds sind nur dann attraktiv, wenn sie nicht wichtig sind und wenn man kein Budget hat. Aber letztendlich bin ich immer dafür, anstelle des Computers einen echten Musiker zu nehmen, der Musik macht."
Schlechte Samples klingen immer gleich
Stefan Pintev hört sofort, ob es sich um Sample-Sounds handelt oder ob echte Musikerinnen und Musiker das Arrangement eingespielt haben. "Man hört sie, weil sie immer gleich klingen. Wenn man da ein A anspielt, klingt das A meistens immer gleich." Als Vorlage für den Produzenten erstellt Pintev zunächst ein Muster-Arrangement.
Hierfür verwendet er selbst vom Computer erzeugte Sample-Sounds. "Ich arbeite nämlich selbst mit Computern, ich programmiere auch selbst. Aber das ist für mich erstmal nur das Layout, damit der Produzent hört, wie es hinterher werden kann und die Katze nicht im Sack kaufen muss. Und ich staune immer wieder, wenn wir das hinterher live einspielen, was für ein riesengroßer Unterschied das trotzdem noch ist."
"Mehr Vielfalt in der Rhythmik, Harmonik, in den Formen der Popmusik!"
Ein Pop-Song, der nur aus drei Akkorden besteht und dessen Tonumfang eine Quint, also fünf Töne, nicht übersteigt: Das ist für Stefan Pintev zu wenig. Die Pop-Musik könne vielmehr von der Klassik übernehmen. Sein Rat an die Szene: "Dass man sich in der heutigen Zeit wieder traut; man müsse mehr Musikalität im Sinne von Vielfalt der Rhythmik, Vielfalt in der Harmonik und Vielfalt in den Formen zulassen. Die heutige Popmusik verarmt musikalisch und lässt leider immer weniger Vielfalt zu."
Aber auch die Klassik könne von der Pop-Musik etwas lernen. Denn bei Studioaufnahmen ist das Metronom in der Pop-Musik nicht mehr wegzudenken. Pintev sagt: "Etwas, wo sich die klassischen Musiker immer wieder etwas abschneiden können: Nicht müde zu werden - und auch bei banalen Sachen immer wieder das Metronom einzuschalten und darauf zu hören."