Weltstar und Zeitreisende: Ute Lemper wird 60
Ute Lemper gehört zu den ganz wenigen Weltstars aus Deutschland - heute feiert sie ihren 60. Geburtstag. NDR Kultur Extra hat im Juni mit der Musicaldarstellerin über ihre Autobiografie und ihr neues Album "Time Traveler" gesprochen.
Als Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin feierte Ute Lemper international Erfolge und erhielt zahlreiche renommierte Preise. Sie spielte Hauptrollen in "Cabaret", Chicago", Cats" oder "Der Blaue Engel" und nahm bis heute mehr als 20 eigene Alben auf. Auf Ute Lempers neuem Album "Time Traveler" sind ältere Aufnahmen von ihr mit neuen gemischt worden. Beim Aufräumen entdeckte sie nämlich zufällig eine Kiste mit Tonbändern...
Eine richtige Überraschung war der Fund dieser frühen Musikbänder, oder? Wo waren die?
Ute Lemper: Wir hatten im Jahre 2000 in unserem Studio in Chelsea ein paar Lieder aufgenommen. Ich war damals sehr inspiriert, frisch verliebt und habe gleich 15 Lieder geschrieben. Wir haben sie damals auf Analog-Bandmaschine aufgenommen, eher in einem Demo-Zustand. Dann hat sich die Plattenfirma entschieden, eine Repertoire-Platte zu machen mit Brel und Piaf und so weiter und somit blieben diese Bänder und diese dicken Spulen in der Kiste liegen. Zwei Jahre später haben wir eigentlich vergessen, dass diese Bänder da unten in den Kisten lagen. Ich habe neue Lieder geschrieben für die Platte 'Between Yesterday and Tomorrow'.
Im vorletzten Jahr hatten wir mal wieder einen Hurricane in New York. Es regnete und die Kellerräume füllten sich mit Wasser, und wir dachten, oh Gott, da müssen wir mal schnell den Keller ausmisten, damit hier nichts zerstört wird. Und wir fanden diese Kiste mit den alten Spulen, wir schauten die an und sagten, wir müssen diese alten Lieder noch einmal hören. Dann haben wir sie natürlich digitalisieren lassen. Das ist heutzutage nicht einfach, solche alten, schrumpeligen Bänder, die geklebt worden sind. Wir haben die im Ofen aufgebacken, so macht man das. Dann haben wir uns das angehört, und ich dachte, das ist wunderschön, einige Lieder davon möchte ich noch mal aufarbeiten. Somit entstand diese Zeitreise, die ich auch in dem Buch erlebe. Durch eine alte Autobiografie, vor 30 Jahren geschrieben, erlebe ich auch hier auf der Platte mit einigen Songs die alten Zeiten aus dem Jahre 2000. Dann war ich gleich inspiriert, neue Lieder zu schreiben und habe sieben neue geschrieben. Aber in diesen drei alten Liedern gibt es hier und da Einschübe mit der reiferen Stimme, überall da, wo mir die Texte nicht gepasst haben. Wo ich es ein bisschen zu frantic fand, da habe ich mit der älteren Stimme ein bisschen mehr Ruhe reingebracht. Das ist schon eine Zeitreise. Aber das Album ist ziemlich zeitgenössisch: Soul, Groove, R&B - das ist die Musik, die ich eigentlich möchte. Da ist nicht so viel Theater drin, wie man normalerweise von mir kennt.
Du lebst seit langem in Manhattan, in der Upper Westside. Jetzt gibt es aber aktuell mehrere Termine in Deutschland. Du bist es gewohnt, als Deutsche immer alles im Ausland erklären zu müssen. Du warst in gewisser Weise ungewollt auch immer Diplomatin, hattest zum Teil im Ausland mit starken Ressentiments zu tun, die dir entgegenschlugen, aber du bist dem nicht ausgewichen, sondern, du hast dich künstlerisch damit auseinandergesetzt.
Lemper: Das ist natürlich etwas ganz Wichtiges, was sich in meinem Leben schon in den 1980er-Jahren entwickelt hat, als ich begann, Kurt Weill und Bertolt Brecht zu singen und das deutsche Liedgut der Weimarer Zeit in die Welt hinaus zu tragen. Ein großes Projekt, die Musik, die von den Nazis unterdrückt worden ist, wieder neu aufzunehmen. Ich war der Protagonist dieser Projekte. Es war eine große Ehre, aber auch Verantwortung. Ich musste mich dann erst einmal finden, in der Person, in der Identifikation einer jungen Deutschen und wie sie über die Vergangenheit spricht. Das war sehr wichtig für mich, aber auch für die Welt. Denn diese Platte kam auf fünf Kontinenten raus. Es war wichtig jemanden aus Deutschland zu hören, die sich kritisch und tiefgehend mit dieser Zeit auseinandersetzt.
Das Gespräch führte Philipp Cavert. Die komplette Sendung EXTRA und den Auftritt von Ute Lemper im Studio von NDR Kultur sehen Sie hier.