Tino Eisbrenner: Umstrittener Auftritt bei Festival in Moskau

Stand: 25.05.2023 18:34 Uhr

Der Wahlmecklenburger Tino Eisbrenner ist trotz des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine bei einem Musikwettbewerb in Moskau aufgetreten. Nach eigenen Angaben möchte der Sänger so Brücken bauen. Ließ er sich instrumentalisieren?

von Heike Becker

Seit 2019 gibt es das Festival "Doroga na Jalta" ("Der Weg nach Jalta"). Ausgetragen wurde der Contest auf der seit 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Bei der ersten Ausgabe in Jalta vor drei Jahren trat der Berliner Liedermacher Frank Viehweg auf. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde das Festival nach Moskau - in die Zentrale der Macht, den Kreml - verlegt. Die Anreise über Istanbul sei ihm bezahlt worden, sagte Eisbrenner im Interview. Für das Festival hatte er sich beworben. Die Aufgabe: traditionelle Lieder aus Sowjetzeiten aus dem oder über den Zweiten Weltkrieg neu zu interpretieren.

Zwei Frauen und zwei Männer stehen auf einer Bühne, dahinter ein Orchester © Russia 24
AUDIO: Tino Eisbrenner in Moskau - und nun in der Kritik (3 Min)
Eine Frau und ein Mann stehen nebeneinander und halten ein Mikrofon in der Hand © Russia 24
Tino Eisbrenner trat Anfang Mai bei einem Musikwettbewerb in Moskau auf und belegte den zweiten Platz.

"Man musste sozusagen nachweisen, dass man überhaupt in der Lage ist nachzudichten, also diese Aufgabe überhaupt zu erfüllen. Denn es ging ja darum, russische Pesny Woyny-Lieder des Krieges für dieses Festival nachzudichten, in die jeweils eigene Sprache", erklärt Tino Eisbrenner. Er übertrug für das Festival das Lied "Kraniche" ins Deutsche.

Staatliches Fernsehen überträgt Wettbewerb

Im Finale des Wettbewerbs sang Eisbrenner seinen Beitrag Anfang Mai auf der Bühne und belegte den zweiten Platz. Angetreten waren Künstler aus insgesamt 15 Nationen, zum Beispiel aus Italien, der Mongolei, Indonesien, Frankreich, den USA, Israel, China, Ungarn, Simbabwe. Das Finale wurde vom staatlichen Fernsehsender Rossia 24 übertragen.

"Ich fand eine deutsche Beteiligung dort sehr wichtig. Und sie ist ja auch entsprechend gewürdigt worden. Wenn mitten im Lied, in dem Moment, wo ich anfange, die deutschen Zeilen dieses russischen Liedes zu singen, sich 6.000 Menschen im Saal erheben, dann ist das ja eigentlich eine Offenbarung", sagte Eisbrenner, der Bilder von seinem Auftritt erst nach seiner Rückkehr nach Deutschland auf Facebook postete. Die Nachricht seiner Teilnahme verbreitete sich im Netz.

Eisbrenner will als Künstler Brücken bauen

Ein Mann mit Hut steht vor einem See © NDR
Er wolle eine Brücke bauen und über die Kunst ein Friedenszeichen setzen, begründet Eisbrenner seinen Auftritt in Russland.

"Wenn ich dorthin gehe und ein Friedenszeichen über die Kunst setze, bin ich ja immer noch kein Politiker, der dann sagt, wir haben jetzt den und den Vertrag unterschrieben und so machen wir das jetzt. Ich bin der Künstler, der eine Brücke baut und auch dort ein anderes Bild von den Deutschen schafft. Denn es besteht ja die Gefahr, dass dort ein neues Feindbild entsteht, bei allem, was deutsche Politiker derzeit von sich geben", meint Eisbrenner.

Andrej Hermlin kritisiert Eisbrenners Auftritt

Der Musiker Andrej Hermlin kritisiert auf der Facebook-Seite von Eisbrenner den Auftritt in Moskau. Beide Künstler sind befreundet. Hat Eisbrenner sich instrumentalisieren lassen? Nein, sagt er im Interview. "Meine Angst, dass man mich hier instrumentalisiert, mich hier zum Schweigen bringt, ist größer."

Erst vor ein paar Jahren hatte Eisbrenner sich für die Linke als Kandidat für den Landtag in Mecklenburg-Vorpommern aufstellen lassen. Er tritt bei zahlreichen Friedensdemos auf, unter anderem auch bei von der DKP organisierten Veranstaltungen. Die DKP wird vom Verfassungsschutz als linksextremistisch und verfassungsfeindlich eingestuft und steht unter Beobachtung.

Weitere Informationen
Anna, die Ehefrau eines vor zwei Monaten getöteten Soldaten, und der Vater Oleksandr stellen auf dem Friedhof der Hafenstadt Odessa die ukrainische Nationalflagge am Grab ihres Ehemannes auf. (Foto vom 24. Februar 2024) © Kay Nietfeld/dpa

Zwei Jahre Ukraine-Krieg: Russlands Überfall und die Folgen

Am 24. Februar 2022 begann der Angriff. In der Ukraine starben mindestens 10.000 Zivilisten. mehr

NDR Info: Streitkräfte und Strategien © NDR

Streitkräfte und Strategien

Die Sendung setzt sich kritisch mit aktuellen Fragen der Sicherheits- und Militärpolitik auseinander. mehr

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 25.05.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Rock und Pop

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Mehr Kultur

Reisen mit Muddi "Reisen mit Muddi" eine sechsteilige Miniserie im NDR Fernsehen und in der ARD-Mediathek © Bild: NDR/Boris Laewen

Mediathektipps: "Reisen mit Muddi", "Die Legenden von Paris", "Dinner For Two"

Eine unfreiwillige Reise zu sich selbst, ein dänisches Beziehungsdrama und eine Reihe über die Zeit der Romantik in Paris. mehr