Kabarettist Alfons auf den Spuren der Chanson-Sängerin Barbara
Die Chanson-Sängerin Barbara hat mit ihrem Lied "Göttingen" den Soundtrack zur deutsch-französischen Versöhnung nach dem Krieg geschaffen. 60 Jahre später geht Kabarettist Alfons in Göttingen auf Spurensuche.
Alfons zückt sein Handy, nicht das erste Mal heute. Er steht vor dem ehemaligen Jungen Theater in Göttingen, dem heutigen Kino Lumière. Eine Gedenktafel erinnert hier an Barbara und ihre drei unvergesslichen Konzerte an diesem Ort. "Das ist irre. Diese Geschichte habe ich tausendmal gehört, übrigens auch in tausend Versionen, aber hier zu stehen, an dem Ort, wo es wirklich passiert, ist wow", sagt Alfons. Neben ihm steht Michael Schäfer. Er hat die Chanson-Sängerin damals live erlebt. Der 79-Jährige erzählt, wie Studierende ihr damals den Flügel in den Saal getragen haben. Denn statt des vereinbarten Flügels stand nur ein Klavier auf der Bühne. Barbara weigerte sich jedoch, darauf zu spielen.
"Göttingen" wird zum Hit in Frankreich
Dokumentiert ist das alles im Städtischen Museum. Die Leiterin, Andrea Rechenberg, zeigt Alfons die Originalfotos von damals. Darauf zu sehen: zehn Studierende, die den Flügel durch ein Treppenhaus bugsieren. Alfons greift wieder zum Handy. Er sieht das alles zum ersten Mal und er wird Teile davon in seinem aktuellen Programm "Alfons - Jetzt noch deutscherer" einbauen.
Alfons will Barbaras Geschichte auf der Bühne erzählen
Darin erzählt er die Geschichte seiner Großmutter, die Auschwitz überlebte, ihren Zorn gegenüber den Deutschen später jedoch ablegen konnte. Eine Parallele zu Barbara. Auch sie hat ihr Deutschland-Bild nach dem Göttingen-Besuch revidieren müssen. "Die Kinder sind genau die gleichen, in Paris wie in Göttingen", heißt es in ihrem Lied "Göttingen". Das Lied kenne auch in Frankreich fast jeder, so Alfons. Weil der Song so gut zu der Geschichte seiner Großmutter passe, bringt der Kabarettist ihn wieder auf die Bühne und singt ihn selbst.
Barbara: Mit verbundenen Augen ins ehemalige Nazi-Land
Dass eine jüdische Französin, die zur Nazi-Zeit verfolgt wurde, 15 Jahre nach Kriegsende überhaupt ein Konzert in Deutschland spielt, ist dem hartnäckigen Engagement des damaligen Theater-Intendanten Hans-Gunter Klein zu verdanken. Er hat Barbara sogar in Paris besucht, um sie zu dem Auftritt in Göttingen zu überzeugen. Im Juli 1964 war es dann so weit. Barbara reist für drei Konzerte in die Unistadt. Von der Fahrt nach Deutschland bekommt sie nichts mit. "Sie hat sich die Augen verbunden, um nichts zu sehen", erzählt Alfons. Deutschland sei für sie eben immer noch Feindbild gewesen. Der Kabarettist weiß das, weil er vor einiger Zeit den langjährigen Pianisten der Sängerin kennengelernt hat. Und der hat so manche Geschichte ausgeplaudert.
Lied über deutsch-französische Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg
Doch die Auftritte in Göttingen ändern Barbaras Meinung. Sie wird mit viel Herzlichkeit und Wärme empfangen, bekommt Rosen auf die Bühne geworfen. Noch in Göttingen schreibt sie die ersten Zeilen zu dem Song, der auch ihre Karriere in Frankreich befördert. In späteren Interviews sagt sie, dass ihr Song nicht politisch motiviert gewesen sei. Sie wollte den Göttingern danken, für den herzlichen Empfang. Dass das Lied später zum Soundtrack deutsch-französischer Geschichte wird, ahnt sie da noch nicht. 1967 ist sie erneut in der Stadt. Es ist ihr letztes Konzert in Göttingen.
Ein Lied für die Ewigkeit
Alfons ist zwar mit dem Lied aufgewachsen. Die Bedeutung sei ihm aber erst in den vergangenen Jahren bewusst geworden, sagt er NDR Niedersachsen. Bei seiner Spurensuche in Göttingen saugt er jede noch so kleine Hintergrundgeschichte ein. Darunter auch so manche Legende. Nach wie vor halten sich viele Gerüchte hartnäckig, auch die, dass Barbara damals zahlreiche Affären gehabt haben soll. Alfons wird am Ende seiner Spurensuche klar: die Chanson-Sängerin ist – auch 60 Jahre danach – in Göttingen immer noch in aller Munde. Umso größer ist die Freude des Hamburger Kabarettisten, seine Version des "Göttingen"-Lieds am 25. April nun endlich auch in der Stadt zu präsentieren, in der dieser Song seinen Ursprung hat.