Szene aus der Oper "The Gershwins‘ Porgy And Bess" © Presse Funkemedia Foto: Luciano Romano
Szene aus der Oper "The Gershwins‘ Porgy And Bess" © Presse Funkemedia Foto: Luciano Romano
Szene aus der Oper "The Gershwins‘ Porgy And Bess" © Presse Funkemedia Foto: Luciano Romano
AUDIO: Bedient George Gershwins "Porgy and Bess" rassistische Stereotype? (4 Min)

Bedient George Gershwins "Porgy and Bess" rassistische Stereotype?

Stand: 27.05.2023 07:15 Uhr

Im Rahmen des Musikfest Hamburg gab es am Freitagabend eine konzertante Aufführung von George Gershwins "Porgy and Bess" in der Elbphilharmonie. Das Stück wird seit jeher kontrovers diskutiert.

1935 erlebt George Gershwins "Porgy and Bess" seine Uraufführung in New York. Ein historischer Moment, nicht nur musikalisch. Erstmals in der Geschichte sind die Hauptrollen einer Oper ausschließlich mit afroamerikanischen Sängerinnen und Sängern besetzt. Zu einer Zeit, als schwarze Interpreten in den USA noch gar nicht auf die Opernbühne dürfen. Deshalb findet die Premiere auch am Broadway statt.

"Porgy and Bess" - schon immer kontrovers diskutiert

Todd Duncan © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | -
Bariton Todd Duncan (1903-1998) sang bei der Premiere von "Porgy and Bess" am Broadway die Rolle des Porgy.

Dass im Stück überhaupt schwarze Solistinnen und Solisten auftreten, Elemente aus der schwarzen Musik in der Gattung Oper vorkommen, gilt in Teilen der afroamerikanischen Kultur-Community als großer Fortschritt. "Gershwin hat Sachen geschrieben, die richtig klangen, wie von unseren Leuten", sagte etwa die Dirigentin Eva Jessye, die den Chor bei der Uraufführung einstudiert hat. Doch es gibt auch damals schon Ablehnung. Besonders harsch beim US-amerikanischen Komponisten und Kritiker Virgil Thomson: "Hier hat jemand, der es niemals hätte versuchen dürfen, über ein Thema, das niemals hätte gewählt werden dürfen, und mit Hilfe eines Librettos, das niemals hätte akzeptiert werden dürfen, ein Werk komponiert, dem man eine gewisse Kraft und Bedeutung nicht abstreiten kann."

Weitere Informationen
Alan Gilbert © Marco Borggreve Foto: Marco Borggreve

"Porgy and Bess" in der Elbphilharmonie ab 19 Uhr live bei NDR Kultur

Stars der New Yorker Metropolitan Opera, das NDR Elbphilhamonie Orchester und das NDR Vokalensemble unter der Leitung von Alan Gilbert mit Gershwins Opernklassiker "Porgy and Bess". mehr

Kritik an der Darstellung von Schwarzen

Während des Black-Power-Movement in den 1960er-Jahren nehmen die skeptischen Stimmen zu. Der Sozialkritiker Harold Cruse schreibt, Gershwins Oper sei "mit Sicherheit das widersprüchlichste Symbol, das jemals in der westlichen Welt geschaffen wurde."

Die Kritik wendet sich vor allem gegen die Darstellung der Schwarzen - geprägt von Armut, Spielsucht, Gewalt und Drogensucht. Damit bestärkt die Oper rassistische Denkmuster. Und sie stammt von weißen Autoren, die den Anschein von Authentizität erwecken, etwa indem sie den Figuren einen vermeintlich typischen schwarzen Akzent in den Mund legen. Ein klassischer Fall von kultureller Aneignung, würden manche heute sagen. Die spiegelt sich auch in der Musik. "Summertime", der größte Hit der Oper, schlägt einen jazzigen Ton an, ist aber von einem europäischen Schlaflied aus der Ukraine inspiriert.

VIDEO: NDR Bigband plays American Cool Jazz: "Summertime" (3 Min)

Widersprüchliche Haltungen

Der Sänger, Schauspieler und Entertainer Harry Belafonte bei einem Auftritt im ZDF Fernsehen. © IMAGO / BRIGANI-ART
Sänger Harry Belafonte wollte in einer Verfilmung nicht die Hauptrolle spielen, nahm aber mehrere Songs aus der Oper auf.

Wie soll man heute mit der Oper umgehen? Ist Gershwins Stilmix genial oder übergriffig? Dazu gibt es wohl keine einfache Antwort, sondern nur widersprüchliche Ansichten und Haltungen. Manchmal auch bei ein und derselben Person. Der kürzlich verstorbene Harry Belafonte hat es zum Beispiel wegen der rassistischen Stereotype abgelehnt, die Hauptrolle in einer Verfilmung von Porgy and Bess zu übernehmen. Einige Songs aus der Oper hat er trotzdem für Schallplatte aufgenommen.

Die schwarze Sängerin Audra McDonald - preisgekrönte Darstellerin der Bess - hat Gershwin vor zehn Jahren in einem Interview verteidigt. "Er hatte die besten Absichten, als er die Oper geschrieben hat", so McDonald. "Er wollte in eine Gemeinschaft hineinschauen und deren Wünsche, Hoffnungen, Träume und Ängste zeigen."

Stück muss kritisch eingeordnet werden

Gershwin hat damals festgelegt, dass die schwarzen Hauptrollen in Porgy and Bess nur von Schwarzen übernommen werden dürfen. Auch das wird mittlerweile heiß diskutiert und auch nicht immer eingehalten. Aufführen, ja, aber dabei kritisch Einordnen: das ist wohl der beste Weg mit dem Stück umzugehen. Auch für Alan Gilbert, Chef des NDR Elbphilharmonie Orchesters. "Das Stück sollte in seinem angekratzten Ruhm akzeptiert werden", sagt der Dirigent. "Am Ende des Tages ist Porgy ein mitfühlender Charakter, er hat etwas Nobles. Er ist fehlgeleitet, aber er ist am Ende eine Art Held - und das ist es, was haften bleibt."

Weitere Informationen
Screenshot: Alan Gilbert & Michail Paweletz about music-Videopodcast - Folge 2 © NDR EO Foto: Screenshot
40 Min

Alan Gilbert: "'Porgy & Bess' kann Rassismus aufzeigen"

Anstoß zur Diskussion - oder Verbreitung rassistischer Stereotype? Alan Gilbert und Michail Paweletz diskutieren über Gershwins "Porgy & Bess". 40 Min

Bariton Thomas Hampson im Profil. © NDR, Jimmy Donelan Foto: Jimmy Donelan

Eröffnungskonzert Internationales Musikfest Hamburg

Bariton Thomas Hampson und Alan Gilbert eröffnen gemeinsam mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester das IMF 2024. mehr

Ein schwarzer Mann mit Glatze schaut aus dem Bild © picture alliance

Harry Belafonte ist tot: Ein Kämpfer für Gerechtigkeit

Der Sänger wuchs in Armut auf, startete seine Karriere im Amerika der Rassentrennung und blieb Zeit seines Lebens ein Kämpfer für Gerechtigkeit. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 26.05.2023 | 06:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Oper

Elbphilharmonie

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Mehr Kultur

Die Schauspielerin Katharina Thalbach sitzt auf einem Sofa. © Screenshot

Katharina Thalbach mit "Ein Wintermärchen" wieder in der Elphi

"Ein Wintermärchen" mit Katharina Thalbach in der Elbphilharmonie ist fast ein Klassiker. Heute ist die erste von neun Aufführungen. mehr