"Hercules": Hinter den Kulissen des Musicals in Hamburg
Nur noch zwei Wochen bis zur Weltpremiere: Der NDR hat einen ersten Blick hinter die Kulissen des Disney-Musicals "Hercules" im Stage Theater Neue Flora Hamburg geworfen. Dort arbeiten teils Oscar-preisgekrönte Künstler*innen vom Broadway.
In wenigen Tagen finden die ersten Previews für die Weltpremiere von "Hercules statt". Seit Wochen probt das internationale Ensemble im Stage Theater Neue Flora in der Nähe der Holstenstraße in Hamburg. Der NDR hat am Mittwoch einen Einblick in die turbulenten Probentage erhalten: Aus den Lautsprechern in den verschiedenen Stockwerken hinter den Kulissen erklingen immer wieder Regieanweisungen. Auf der riesigen Bühne werden gewaltige griechische Säulen verschoben, vergoldete Stufen zum Olymp tauchen aus dem tiefen Bauch der Bühne auf. Kräftige Töne in Orange, Blau, Gold, Grün und Gelb beleuchten den Zuschauerraum. Zwölf Musikerinnen und Musiker proben im Orchestergraben. Es klingt imposant - und sieht auch so aus.
Laufend werden bei "Hercules" Details optimiert und verändert
"Es ist hier fast wie auf einem Raumschiff", scherzt Thomas Schumacher, Hauptverantwortlicher und Chief Creative Officer für die Disney-Musicals, beim Pressetermin. Der US-amerikanische Künstler hat bereits für "Tarzan" und "Aladdin" in Hamburg in der Neuen Flora gearbeitet. Alle Details würden täglich, ja, stündlich, neu angepasst. Wie lange brauchen die Musical-Darstellenden von Bühne zur Umkleide? Dort, wo der Kostümwechsel hinter den Kulissen während der Show "in einer Sekunde" klappen müsse, so Schumacher.
Die großen Bühnenelemente werden bei notwendigen Änderungen noch kurzfristig ans Studio Hamburg geschickt. Alles wird laufend für die Uraufführung und die erste Preview vor Publikum am kommenden Sonntag angepasst.
Oscar-Preisträgerin Haardesignerin Mia Neal verantwortet Perücken
Von einer Länge von etwas mehr als zwei Stunden geht Tom Schumacher auf Nachfrage im Pressegespräch aus. Genau wüssten sie es aber noch nicht, weil alles noch Veränderungen unterliege. Anders, als in den Vereinigten Staaten, wo auch lange Stücke durchgespielt würden, werde es in Hamburg eine Pause geben: "Wir kennen das eigentlich gar nicht". Er lädt ein zum Blick hinter die Kulissen bei den Fachleuten für Kostüm, Video und LED-Leinwand und Perücken.
Hier arbeitet unter anderem Mia Neal aus Indiana als Hairstylistin und Perückenmacherin. Für ihre Arbeit am Kinofilm "Ma Rainey's Black Bottom" hat sie einen Oscar fürs beste Make-Up und Hairstyling erhalten. "Die Looks sind genau auf die Persönlichkeiten in 'Hercules' abgestimmt", sagt sie und zeigt mehrere mit Fotos beklebte Bögen, auf denen die Profile der Musen im Stück zu sehen sind. Alles in allem gibt es etwa 100 Perücken - der Großteil aus echtem Haar. Eine unterscheidet sich von allen anderen: eine tiefblaue. Sie gehört zur Rolle des Gottes Hades aus der Unterwelt.
Ein Stockwerk tiefer arbeitet Kostümdesigner und Broadway-Künstler Sky Switser mit Gregg Barnes an seiner vierten Show für Stage ("Tina Turner", "Aladdin"). Er entwirft Kostüme für Bühne, Film und Fernsehen, darunter für die Serie "The Marvelous Mrs. Maisel" und die berühmte Late-Night-Show "Saturday Night Live". Für "Hercules" hat er in knapp zehn Monaten Arbeit 266 Kostüme erdacht; hergestellt in 24 speziellen Werkstätten in elf verschiedenen Ländern. Die meisten davon in Europa. "Für den Großteil unserer Arbeit nehmen wir die Symbole und Motive der antiken griechischen Kunst und machen das Ganze fröhlicher und poppiger. Ich finde nämlich, die Kostüme sollten so aussehen wie die Musik", erzählt Switser, der für die Outfits am liebsten mit Seide arbeitet. "Hades hat eine Rauchmaschine im Kostüm eingebaut", erzählt Barnes.
"Die ganze Magie des Theaters erleben"
Im Zwischengeschoss sitzen George Reeve und Dane Laffrey vom Videodesign für das Licht und die LED-Leinwände auf der Bühne. "Wir arbeiten viel mit Mosaik. Mosaike sind eine recht komplizierte Kunstform", berichtet der britische Künstler Reeve. "Wir haben das in die wunderbare Götterwelt für 'Hercules' eingebunden". Sie hätten sich dafür nicht am animierten Disney-Film orientiert, erklärt der US-Künstler Dane Laffrey. "Das Publikum wird die ganze Magie des Theaters erleben. Sie werden nicht wissen, was ist Requisite und was ist Hintergrundbild. Das geht nahtlos ineinander über."
Kirk Cambridge-del Pesche erschafft die Make-Up-Looks
Von der Bühne klingen mittlerweile fröhliche Melodien, gesungen von Zeus, Hera und den Musen. Im Raum genau gegenüber sitzt die Maske: das Reich des Broadway-Make-Up-Künstlers Kirk Cambridge-del Pesche. Hier wird geschminkt, gepudert, Eyeliner gesetzt. Vorsichtig appliziert er auf Indy Luna Correas Lider die Farbe Pflaume, die eigentlich für Meg (gespielt von Mae Ann Jorolan) gedacht ist. Sie steht jedoch hinter der Bühne. Daher testet Pesche den Look auf der Haut der jungen Schauspielerin aus den Niederlanden. Megs Look sei sein "absoluter Favorit in der Show".
Er ist ein viel beschäftigter Mann: "'Hercules' ist meine 29. Show in den letzten drei Jahren!". Er arbeitet parallel an den Looks zu mehreren Shows, etwa fürs Broadway-Musical "Lempicka" über die Art-Deko-Malerin Tamara de Lempicka, das bald Premiere in New York feiert. Doch erst einmal bleibt Kirk Cambridge-del Pesche in Hamburg - bis zur mit Spannung erwarteten Weltpremiere für "Hercules".