Caetano Veloso: Der Brasilianer verzaubert die Elbphilharomie
Auf der Bühne steht er klein, zerbrechlich, wie eine Bleistiftzeichnung. Ein graues Männlein mit zarten Zügen. Caetano Veloso wird in der Elbphilharmonie trotzdem wie ein Nationalheld gefeiert, auch wenn sein einst herausragendes Gitarrenspiel brüchig geworden ist.
Auf der Bühne aber wirkt Caetano Velosos Aura immer noch atemberaubend, und seine Stimme klingt erstaunlich präsent an diesem Abend in Hamburg. Gut gealtert, aber immer noch klar, dicht in den Mitten und betörend in diesem typischen Caetano-Veloso-Falsett. Er muss nur raus auf die Bühne treten, und wird gefeiert.
"Wenn man Brasilianer fragt, sie würden Caetano Veloso heilig sprechen!", sagt ein Elbphilharmonie-Besucher, der vor 30 Jahren aus Fortaleza im Norden Brasiliens nach Hamburg kam. Seit den 60er-Jahren, zunächst als Nachzügler des Bossa Nova, ist Veloso eine feste Größe in der brasilianischen Musik. Er spielte mit Gal Costa, Chico Buarque, Gilberto Gil und nicht zuletzt mit seiner ebenso bekannten Schwester Maria Bethania - er ist ein neuralgischer Punkt der Musik dieses riesigen südamerikanischen Landes. Ein multiethnischer Staat mit vielen gesellschaftlichen und sozialen Problemen und Konflikten. Musik sei der Kitt dieser sonst zerrissenen Kultur, über Generationen hinweg, erzählt eine Besucherin, die in Rio de Janeiro aufwuchs.
Hymnen über ein Sprach- und Lebensgefühl
Lieder wie "Desde Que O Samba É Samba", "Voce E Linda", "Meu Coco" oder "Baby" seien so etwas wie der Soundtrack ihre Lebens. Viele dieser Hymnen singt Veloso an diesem Abend, und das nicht allein, fast alle Besucher mit portugiesischsprachigem Hintergrund, und sie bilden die Mehrheit, kennen die Texte. Unaufgefordert singen sie mit. Für die deutschen Zaungäste ein beeindruckendes Schauspiel.
Ein Kandidat für den Literaturnobelpreis?
"Er, nicht Bob Dylan, hätte den Literaturnobelpreis verdient", sagt ein Arzt aus Hamburg, der - natürlich - fließend Portugiesisch spricht. Die Texte seien so dicht, so poetisch und ergreifend, wie wenig andere in der Musik der Welt. Oft beschreiben Velosos Lieder diese Mischung aus Melancholie und innerer Zuversicht, dass da doch immer eine Liebe oder Freude wartet. Ein Grundgefühl in vielen Künsten des portugiesischen Sprachraums. Oft wird es als "Saudade" beschrieben, die Sehnsucht des Seefahrervolkes, in Brasilien trifft es auch auf die Versklavten und Verschleppten zu.
Ein Zeichen gegen Unterdrückung: Tropicalismo
"In Europa mag er eher als weißer Musiker gesehen werden" erzählt ein Portugiesisch-Dozent aus Hamburg. In Brasilien aber stehe er für weite Teile der Gesellschaft. In Bahia aufgewachsen, verband Veloso die afrobrasilianischen Einflüsse dieser Region früh mit der Bossa Nova Rio de Janeiros. Und dieser musikalische Integrationsprozess ließ ihn nie los. Der Rock'n'Roll, der psychodelische Rock der 70er, die Musik der Ureinwohner Brasiliens. In der sogenannten Tropicália-Bewegung floss all dies zusammen.
Tom Zé, Gilberto Gil oder Os Mutantes setzten damit auch ein politisches Statement gegen Militärdiktatur im Brasilien der 60er und 70er Jahre. Auch Veloso wurde 1968 erst inhaftiert und musste dann ins Exil. Auch das eine Zutat zum heutigen Nationalheldentum. "Ho Ho Ho" singt und klatscht es rhythmisch im Großen Saal der Elbphilharmonie. Man will ihn nicht gehen lassen. Wünschen wir ihm, dass er noch viele Jahre singen kann.