Berq in Hamburg: Auf dem Gipfel des Schmerzes
Felix Dautzenberg alias Berq startet gerade richtig durch. Sein Debütalbum landete auf Platz zwei der Charts, jüngst gewann er die 1Live Krone als "Bester Newcomer". Nun ist er auf Tour - in Hamburg sang er in der ausverkauften Inselpark Arena.
Das Ende der Schlange verschwindet irgendwo hinter dem Deich im Sonnenuntergang. Wer ganz vorne steht, campt schon seit dem Morgen hier vor der ausverkauften Halle. Der Hype gilt einem 21-jährigen Hamburger, der vor anderthalb Jahren noch im Reihenhaus-Keller seiner Eltern vor sich hin geklimpert hat: Felix Dautzenberg, Künstlername: Berq - mit "q". Hier in Wilhelmsburg, südlich der Elbe, spielt der Newcomer seine bisher größte Show: 4.000 Menschen besteigen mit ihm den Gipfel der großen Gefühle.
Berq: Die Stimme des Liebeskummers
Der durchschnittliche Berq-Fan ist weiblich, um die 20 Jahre alt und hatte mindestens einmal ein gebrochenes Herz. Und wer nicht, weiß dank Berqs Musik trotzdem, wie sich das anfühlt. Freundinnen fassen sich an den Händen, ihre Augen glitzern feucht, als diese unverwechselbare Stimme ertönt: "Sitz auf dem Heimweg neben mir, aber nimm deinen Schmerz diesmal mit!" Der Schmerz ist es, der ihn und sein Publikum verbindet: Berq besingt Liebeskummer in allen Stimmlagen und Farben, von Wehmut bis Wut - und alle singen mit.
Via TikTok zum Chartstürmer
"Berq" - sein Debütalbum heißt wie er und landete im Herbst auf Platz zwei der Albumcharts. In seiner ersten EP "Rote Flaggen" hatte er noch eine toxische Beziehung verarbeitet, traf damit den Zeitgeist und ging auf TikTok viral. Um diesen steilen Aufstieg geht es in seinen neuen Liedern. Bass und Licht pulsieren, durchdringen jeden Körper. "Herz auf Vollgas, für mich Folter, Lunge poltert", beschreibt er den Moment des Auf-die-Bühne-Tretens: "Ich wollte nie hier oben stehen, trotzdem wollte ich, dass sie mich sehen!"
Er wirkt fast brüchig, klammert sich fest an seiner kräftigen Stimme, zumindest in den Songs. Dazwischen kann er die Zerrissenheit selbstironisch überspielen: Mit den Händen, klebrig von Haargel und Desinfektionsmittel, schleime er die ganze Zeit am Mikrofon entlang, scherzt er. Schleimig oder schnulzig wird's bei seiner Musik zum Glück nie. Dafür ist sie zu ehrlich, fast schmerzhaft ehrlich.
Persönliche Themen schaffen Nähe
Ein Lied widmet er seinem Vater: "Er umarmt sehr schlecht und sagt nicht, dass er stolz ist", aber: "Das Träumen, das hat er mir beigebracht." Später besingt er die Demenzerkrankung seiner Großmutter, dann geht’s wieder um Eifersucht und andere "Teenager-Themen". Seine Themen sind persönlich, das schafft Nähe - gleichzeitig verleiht ihm das Bühnenspiel aus Licht, Schatten und Nebel einen fast übermenschlichen Nimbus.
"Felix!", rufen die Fans ihn wie einen Freund. Einige haben ihm Blumen mitgebracht. Berq nimmt einen Strauß, bewundert ihn kurz und steckt ihn dann in den Mikrofonständer. Die übrigen Blumen finden früher oder später fliegend ihren Weg auf die Bühne.
Berq und Hamburg: Verbindung aus Herz- und Weltschmerz
"Ich wohne mittlerweile in Berlin, nicht mehr hier in Hamburg", gibt Berq schuldbewusst zu, erntet aber nur ein ganz zärtliches Buhen. Er habe deshalb nicht an der Bürgerschaftswahl teilnehmen dürfen, aber die Ergebnisse hätten ihm Mut gemacht, erzählt er. Gerade nach den Ergebnissen der Bundestagswahl.
"Ganz Hamburg hasst die AfD!" - innerhalb von Sekunden erfasst ein Sprechchor die gesamte Halle. Offenbar gehört nicht nur Herz-, sondern auch Weltschmerz zum Repertoire seiner Generation. "Ich bin ganz stolz auf euch, auf meine Heimatstadt", strahlt Berq nach einer guten Stunde auf der Bühne - und verspricht, irgendwann zurückzukehren. Und bis dahin ist auch Hamburg stolz auf seinen Berq.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Rock und Pop
