60 Jahre Kassette: Es lebe der Bandsalat!
Endloser Bandsalat, den man mit dem Bleistift wieder reingefummelt hat. Mixtapes, die man für den oder die Liebste aufgenommen hat. In den 80ern war die Kassette das Medium der Stunde. Dann kam die CD, und spätestens als vor zehn Jahren das letzte norddeutsche Kassettenwerk schloss, schien bei uns die Musikkassette tot zu sein.
Aber: Die Verkaufszahlen des am 28. August 1963 vorgestellten Tonträgers steigen wieder, in den USA, in England und auch in Deutschland. Selbst Popstars wie Lady Gaga oder der Pianist Lubomyr Melnyk veröffentlichen ihre Alben auch auf Tape. Mehr über das - wenn auch nur kleine - Comeback.
Tape-DJ Rumpelkopf: "Die Qualität ist nicht schlecht"
Samuel Fink legt die nächste Kassette ein. Für ihn taugt das Medium zu mehr, als nur in Kellern zu verstauben. Der Klang sei nicht perfekt, aber er mag das Rauschen, es sei einfach anders als digital oder von der Platte. "Die Qualität der Kassette ist nicht schlecht. Es wird immer nur gesagt, dass sie schlecht ist, aber es kommt natürlich auf die Aufnahme an: Wie ich habe ich es überspielt? Ist es gut oder nicht? Ich habe dafür ein gutes Gerät", sagt er.
Fink oder Rumpelkopf, wie er sich nennt, ist ein Tape-DJ, kurz TJ. Als solcher verbringt er einige Zeit mit dem Zurückspulen seiner sorgfältig ausgewählten Songs: "Ich habe ein großes Kassettendeck und zwei Walkmans dabei. Da lege ich die Kassetten nach und nach rein und versuche damit die Übergänge. Auf dem Mischpult habe ich zwei Kanäle und da ziehe ich das dann rüber - je nachdem, was dran ist."
Sound von der Kassette kommt bei Publikum an
Der 35 Jahre alte Dresdener tourt zusammen mit einer befreundeten Band durch Deutschland, Österreich und Tschechien. An diesem Abend sind sie im Stellwerk in Hamburg-Harburg. Der Sound von der Kassette, eine Mischung aus Polka, Balkan und Ska, kommt bei den Gästen gut an. "Hat mich total überrascht", sagt ein Besucher. "Irgendwie eine Super-Idee. Hat man nicht mehr, aber man besinnt sich immer auf Sachen, die man mal hatte. Und manchmal kommt etwas auch wieder, was verloren gegangen ist."
"Man geht wieder auf 'wahre Werte', auf Handfestes"
Tatsächlich scheine das Comeback der Kassette bei jungen Leuten ein Zeichen gegen die Digitalisierung zu sein, meint Velvet Bein. Er ist Musiker, nimmt Bands auf Tape auf und hat in Hamburg ein eigenes Label - natürlich mit Kassetten. "Es ist so wie bei vielen Sachen", sagt er. "Dieser digitale Aufschwung ebbt langsam wieder ab und man geht wieder auf 'wahre Werte', auf etwas Handfestes. Man hat das Gefühl, ein Stück Kunst und ein Stück weit auch den Künstler bei sich zu haben."
Vorteil der Kassette: Das Unkomplizierte
Kassetten machen in Deutschland nur etwa 0,1 Prozent am Markt für physische Tonträger aus. Das liegt einmal an den kleinen Auflagen, die Labels wie La Pochette Surprise von der Bein vertreiben: 100 bis 200 Stück pro Album. Es liegt aber auch daran, dass viele kleine Bands Leerkassetten direkt bei den Herstellern bestellen und fern von der GEMA direkt selbst bespielen. Im Untergrund laufen die Tonbänder also heiß. "Ich bin viel auf Konzerten, auch von den Bands, die ich rausbringe und gucke, wie sich die Tapes verkaufen", sagt Bein. "Da merkt man schon, dass die Leute einfach deutlich interessierter sind." Was an einem Tape im Vergleich zur Platte besser ist, sei das Unkomplizierte. "Für fünf oder sechs Euro kann man so ein Tape mitnehmen, in die Tasche stecken und dann weiter in irgendeine Bar gehen, ohne dass man die ganze Zeit eine Platte dabeihat."
Auch TJ Rumpelkopf bietet an dem Abend im Hamburger Stellwerk ein Mixtape von sich zum Verkauf an. Und das steckt sich der eine oder andere tatsächlich in die Tasche.