Schloss Reinbek: Namentücher erinnern an Widerstand in NS-Zeit
Eine besondere Ausstellung im Reinbeker Schloss ehrt Menschen, die sich in Nazi-Deutschland gegen das Regime gestemmt haben und sich ihr eigenständiges Denken nicht haben nehmen lassen - vor allem nicht ihr Mitgefühl mit den Verfolgten.
Ein großer Dachboden, der sogenannte Krummspanner. Ganz oben im Reinbeker Schloss hängen Stoffbahnen, einmal rund um den Raum. Darauf Bilder aus Stoff. Gestaltet von Jugendlichen. Zum Beispiel eine Faust, die ein Hakenkreuz zertrümmert oder ein Dachboden, auf dem sich Menschen verstecken, eine Landkarte, die einen Fluchtweg nachzeichnet. Auf jedem Tuch ein Name, meist gestickt. Es sind die Namen von Menschen, die in der Zeit zwischen 1933 und 1945 den Verfolgten des NS-Staates geholfen haben.
Der Ur-Großvater als persönlicher Held
Eine Stoffbahn müssen sie noch aufhängen - an eine Metallstange. Kiana Scherm hat ihren Helden, für den sie mit anderen das Namentuch gemacht hat, nicht persönlich kennengelernt. Zwischen ihrem und seinem Abitur liegen 100 Jahre. Ihr Held, das ist ihr Ur-Großvater Adolf Arndt. "Mein Ur-Großvater arbeitete als Richter am Landgericht III in Berlin", erzählt sie.
Von Nazis gezwungen, das Richteramt niederzulegen
Kiana Scherm vertritt die jungen Künstlerinnen und Künstler, die die Bilder, die Namentücher, gemacht haben und spricht auf der Eröffnung der Ausstellung im Reinbeker Schloss. Weil Adolf Arndt als Richter vor 1933 SA-Männer für Gewalttaten gegen Juden verurteilt hatte und als Halbjude galt, wurde er von den Nationalsozialisten gezwungen, sein Amt niederzulegen. Kiana Scherm erzählt, dass er fortan als Anwalt arbeitete: "Er unterstützte und beriet Künstler, deren Kunst unter den Nazis als entartet eingestuft wurde."
"Ich finde das einfach unfassbar mutig und stark"
Adolf Arndt versteckte ihre Werke und verhalf einigen zur Flucht ins Exil. Das zeigt Kiana Scherms Namentuch: Rechts sind schützende Hände zu sehen, zwischen ihnen ein Pinsel, eine Farbpallette und eine Staffelei, links daneben ein Flugzeug und eine Weltkugel. "Die Gefahr, in die sich mein Urgroßvater sich damals gebracht hat, weil er Künstlerinnen und Künstlern geholfen hat, war für mich schwer vorstellbar. Ich finde das einfach unfassbar mutig und stark."
Dankesbriefe von Ernst Barlach und Oskar Kokoschka
Es ist sieben Jahre her, dass sie sich mit der Geschichte ihres Ur-Großvaters für das Projekt Namentuch-Denkmal befasste. Ihre Mutter unterstützte sie mit ihren Erinnerungen. Es gab Bücher und Dokumente. Dankesbriefe zum Beispiel von Ernst Barlach und Oskar Kokoschka. "Es berührt mich sehr, dass die Geschichte dadurch wieder zum Leben erweckt wird und sie weiter in die Generationen getragen wird", sagt Nicole Arndt-Scherm, Kianas Mutter.
Namentuch-Projekt: 200 Schüler haben schon mitgemacht
Annette Hülsmeyer hat das Langzeitprojekt vor zehn Jahren gestartet. Seitdem haben 200 Schülerinnen und Schüler aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Polen mitgemacht. Auch Kiana hat sie beim künstlerischen Prozess betreut. 40 Namentücher gibt es, 25 sind hier im Schloss Reinbek jetzt zu sehen. "Es erfordert sehr viel Aufmerksamkeit und sehr viel Gestaltungswillen“, sagt Annette Hülsmeyer. "Und man muss sich ganz intensiv mit diesem Menschen befassen."
Besondere Erfahrung
Für Kiana Scherm war das Projekt eine ganz besondere Erfahrung. "Ich finde es total schön, dass wir jetzt das Tuch haben, weil dadurch irgendwie an diese Heldentaten erinnert wird", sagt sie. Ihr Ur-Großvater beschäftigt Kiana Scherm bis heute. Im vergangenen Herbst hat die 21-Jährige in Kiel ihr Studium begonnen. Jura. Sie will Richterin oder Anwältin werden, genau wie er.
Schloss Reinbek: Namentücher erinnern an Widerstand in NS-Zeit
Eine Ausstellung im Reinbeker Schloss ehrt Menschen, die sich in Nazi-Deutschland gegen das Regime gestemmt haben - mit einem für sie gestalteten Namentuch.
- Art:
- Ausstellung
- Datum:
- Ende:
- Ort:
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Schloss Reinbek
Schloßstraße 5
21465 Reinbek - E-Mail:
- tickets[at]reinbek.de
- Öffnungszeiten:
- Mittwoch bis Sonntag: 10 - 17 Uhr
- Hinweis:
- Für Schulklassen werden Führungen durch die Ausstellung angeboten. Anmeldungen unter: kulturwerkstadt-reinbek[at]web.de