Schleswig-Holstein: Heimatstuben digital erleben
Ein Team vom Heimatbund Schleswig-Holstein digitalisiert die letzten verbliebenen Heimatstuben im Land. So wollen die Macher die Geschichte für nachfolgende Generationen erhalten.
Mit einer 360-Grad-Kamera steht Markus Hartmann vom Heimatbund Schleswig-Holstein in einem der Ausstellungsräume zwischen Vitrinen mit Puppen in Trachten, edlen Mokkatassen mit Sammelmotiv und Silbermünzen: "Das, was man in Heimatsammlung findet, wirkt für Außenstehende erstmal wie ein wildes Sammelsurium. Hier zum Beispiel: Diese Mülltonne würde jetzt nicht unbedingt in ein Museum passen. Sie hat aber eine ganz bewegende Geschichte zu erzählen: Als Behältnis für das Fluchtgepäck ist die von Stettin aus bis nach Westfalen gekommen. Diese Mülltonne hat Rollen, und das, was man dort drin hat, blieb weitestgehend trocken und vor Witterung geschützt."
Um Geschichten wie diese für die nächsten Generationen zu erhalten, digitalisieren Markus Hartmann und sein Team vom Heimatbund Schleswig-Holstein die Sammlung. Aus den 360-Grad-Bildern entsteht ein 3D-Modell der Räume. Der Besucher kann im Internet sich darin virtuell durch die Ausstellung bewegen.
Geschichte wieder erlebbar machen
An einzelnen Punkten gibt es Erklärungen, wie zum Beispiel für ein Modell: das Museum von Stettin in Miniatur. Alles in akribischer Feinarbeit erstellt, erklärt Hartmann: "So ein Modell zu bauen, ist mehr als einfach nur eine kindliche Spielerei. Da steckt viel mehr dahinter. Man könnte es als immaterielles Fluchtgepäck bezeichnen. Das Bedeutet, dass, was man nicht mitnehmen konnte, versucht man sich durch das Anfertigen von Modellen, als ein Stückchen Heimat nach Hause zu holen."
Etwa Zwölf Millionen Vertriebene aus den Ostgebieten, mussten in der DDR und der Bundesrepublik eine neue Heimat finden. 33 Prozent der Bevölkerung in Schleswig-Holstein waren in den frühen Nachkriegsjahren Geflüchtete insbesondere aus Ostpreußen und Pommern. Verloren waren nicht nur Hab und Gut, sondern auch Freundschaften und Familienbande.
Virtuelle Zeitreise
Aus allen Ost-Regionen versammelten sich die Menschen in Vertriebenenverbänden. Heimatstuben waren Begegnungs- und Sammelorte. Max Manke, langjähriges Vereinsmitglied des Hauses Stettin, erinnert sich: "Hier wurden dann auch diese sogenannten Vereinssitzungen abgehalten, die ja auch recht zahlreich waren am Anfang, denn es waren ja sehr viele Leute. Und die haben gesagt: 'Das ist was Neues. Das ist was Schönes. Da müssen wir auch dabei sein.' Es gab hier auch eine große lange Tafel. Maximal 150 Leute, die sich sonst nie getroffen haben."
Fast 80 Jahre nach Kriegsende müssen viele der Heimatstuben schließen, meist ehrenamtlich betrieben, finden viele keine Nachfolger. 15 gibt es noch in Schleswig-Holstein. Die sollen jetzt alle digitalisiert werden, erklärt Hartmann: "Diese digitale Sicherungsstrategie hat natürlich viele Vorteile. Der größte darin ist, dass wir die Möglichkeit haben, eine ganz neue Zielgruppe zu erreichen, weil die Heimatvertriebenen ja gerade zahlenmäßig weniger werden. Der Generationenwandel macht sich da auch bemerkbar. Bevor hier ganz viel Wissen um dieses Kulturgut verloren geht, kann man es zumindest digital erhalten - und wir können die Zugänglichkeit erhöhen. Das Internet ist orts- und zeitunabhängig. Das heißt, ich kann zu jeder Tages und Nachtzeit und von jedem Ort mit dieser Sammlung anschauen."
Das kulturelle Erbe der Heimatstuben wird durch die Arbeit von Markus Hartmann und seinem Team digital weiterleben. Auf der Seite des Heimatverbandes Schleswig-Holstein kann die Zeitreise beginnen, zumindest virtuell.