"The Wall": Vom Scheitern einer monströsen Kriegsarchitektur
Millionen Tonnen Beton und Stahl wurden am sogenannten Atlantikwall verbaut. Annet van der Voort hat Bunker und Geschützstände von Nordnorwegen bis nach Südfrankreich fotografiert. Zu sehen sind die Bilder jetzt im Osnabrücker Erich Maria Remarque-Friedenszentrum.
12.000 Bunker entstanden an den Küsten und Stränden, inzwischen verrotten sie immer mehr in den Wäldern und Dünen oder kippen langsam ins Meer. Van der Voort war drei Jahre lang unterwegs, um diese Ressourcenverschwendung zu dokumentieren. Denn genützt haben die Bunker und Geschützstände nichts - oder nur sehr wenig. Sie konnten die Alliierten nicht aufhalten, höchstens den Einmarsch etwas verzögern.
"Das war ein wahnsinniges System und eine logistische - muss man wirklich sagen - Hochleistung, das innerhalb von zwei Jahren so zu bauen. Denn die Deutschen wussten zwar, irgendwann würden die Alliierten kommen, entweder über Wasser oder mit Flugzeugen, aber sie wussten nicht, wo", sagt die Fotografin.
Bunker mit unterschiedlichen Funktionen
Die gebürtige Niederländerin hat sich lange und intensiv mit dem Atlantikwall beschäftigt: "Es gab zum Beispiel Lazarettbunker, die natürlich relativ groß sind, es gab auch - wie soll ich es nennen - verstärkte Pissoirs. Aber es gab natürlich auch Mannschaftsbunker, wo die Soldaten geschlafen haben, oder - direkt an der Küste - Radarbunker oder Aussichtsbunker. Bei denen habe ich immer an die armen Soldaten denken müssen, die da acht, zehn Stunden oder länger sitzen und immer auf den Horizont gucken mussten."
Es gab, so nutzlos die Bunker letztendlich waren, zigtausende alliierte Soldaten, die bei der Befreiung Europas durch Gewehrschüsse und Granaten ums Leben kamen. Heute erinnern diese "taumelnden Riesen", wie van der Voort sie nennt, an die Gräuel des Zweiten Weltkriegs.
Monstren, die fehl am Platz sind
"In allen Ländern gibt es unterschiedliche Bunker und Bunkerformen und andere Landschaften. Die Landschaft war mir auch sehr wichtig, damit man an den Bildern sehen kann, dass es Gebilde sind, also Monstren im Grunde, die in diese Landschaft gar nicht hingehören", sagt van der Voort.
Auch in Deutschland gab es solche Bunker - auf den Ostfriesischen Inseln wie Borkum und Norderney. Die Alliierten haben diese Anlagen sofort nach dem Krieg zerstört. Aber es gibt noch Reste, "die man allerdings wie mit der Lupe suchen muss. Es war nicht so einfach, sie zu finden", berichtet die Fotografin.
Eigentümliche Faszination der "taumelnden Riesen"
Van der Voort will auch daran erinnern, wer diese Bunker gebaut hat: "Mit dem Einsatz von örtlichen Bauunternehmen, die auch in den besetzten Ländern gut daran verdient haben. Und die Arbeiter waren meistens keine Soldaten, sondern Kriegsgefangene oder sogar KZ-Insassen."
Von den "taumelnden Riesen" geht eine eigentümliche Faszination aus. Einige erinnern an antike Tempel, altgermanische Thingstätten oder sogar an Bauhausvillen. Es ist nahezu unmöglich, sie zu zerstören. So versinken sie zum Teil in den Sandstränden, in Frankreich oder an der dänischen Küste. Viele dienen inzwischen als reine Schattenspender, oft spielen Kinder auf ihnen herum.
"Wir gucken sie heute, 80 Jahre nach der Landung der Alliierten in der Normandie, auf den Fotos in einer neuen Kriegssituation an. Denn bekanntlich ist in Europa wieder Krieg", sagt Sven Jürgensen, der Leiter des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums.
"The Wall": Vom Scheitern einer monströsen Kriegsarchitektur
Fotografin Anett van der Voort hat die Reste des Atlantikwalls in Bildern festgehalten. Zu sehen sind sie in einer Ausstellung in Osnabrück.
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Erich-Maria-Remarque-Friedenszentrum
Markt 6
49074 Osnabrück - Telefon:
- 0541/323-3292
- E-Mail:
- emr-ausstellung@osnabrueck.de
- Preis:
- Eintritt frei
- Öffnungszeiten:
- Dienstag bis Freitag: 10–13, 14–17 Uhr
Sonnabend und Sonntag: 11–17 Uhr