Reinhard Spieler über Max Beckmann und Pablo Picasso
Zur "Halbzeit" der Ausstellung in Hannover spricht Reinhard Spieler, Direktor des Sprengel Museums, bei NDR Kultur à la carte über das Konzept der Schau, die Protagonisten Beckmann und Picasso, über ihre Kunst und Konkurrenz.
Zwei Künstler, die mit Farben, Formen, Figuren ihre Sicht auf die Welt gestalten: Max Beckmann und Pablo Picasso. Unterschiedlich in ihrer Kunst, haben doch beide gelebte Zeit als Chronisten in ihre Bilder gefasst, der Kunst eine neue Richtung gegeben, sie neu definiert. "Pablo Picasso - Max Beckmann. Mensch - Mythos - Welt" heißt eine Ausstellung, die in Kooperation mit dem Wuppertaler Von der Heydt Museum entstanden ist. Zuerst wurde sie dort gezeigt, und seit Mitte Februar bis Mitte Juni ist die Ausstellung im Sprengel Museum Hannover zu sehen.
Warum stellen Sie ausgerechnet diese beiden Künstler in der Ausstellung aus?
Reinhard Spieler: Ich denke, es sind Giganten der Malerei des 20. Jahrhunderts, für mich vielleicht die herausragendsten Figuren. Und zwar jeweils in einer bestimmten Kultursphäre. Picasso ist der mediterrane Spanier und Südfranzose, er hat die Staatsbürgerschaft zwar nie bekommen, obwohl man ihn immer mit Frankreich identifiziert hat. Aber er ist tatsächlich Spanier geblieben. Trotzdem steht er für eine südliche, mediterrane Lebenswelt. Während Beckmann schon typisch nordisch ist, viel intensiver auf die Inhalte geht, viel stärker ringt und nicht diese leichtfüßige, experimentierfreudige Art wie Picasso hat.
Beide sind sich nie begegnet, so heißt es, aber in Ihrem Museum kommt es zu einer Begegnung. Pablo trifft Max, so wollen Sie Ihre Ausstellung auch verstanden wissen. Man könnte auch sagen: Violett trifft Rot.
Spieler: Diese Begegnung war mir ganz wichtig, weil die künstlerischen Ansätze so viele Gemeinsamkeiten haben, und sie hatten sich gegenseitig auch auf dem Radar. Sie teilen diese unglaublich reiche, dichte Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit dem Aufbruch in die Moderne zu Beginn des Jahrhunderts, die erste Zäsur mit dem Ersten Weltkrieg, die interessanterweise bei Picasso überhaupt nicht stattfindet, sondern nur bei Beckmann. Sie teilen auch die 1920er-Jahre, die nochmal eine kurze Erholungspause waren. Dann geht es wirklich mit dem Siegeszug der großen Diktaturen weiter: Stalin in der Sowjetunion, Hitler in Deutschland, Franco in Spanien, Mussolini in Italien und das spiegelt sich in zunehmender Verdichtung in den Werken beider Künstler wieder. Und natürlich auch der Zweite Weltkrieg.
Für Beckmann war Picasso immer eine Herausforderung. Warum hat sich Beckmann so auf Picasso kapriziert?
Spieler: Picasso war in den 1920er-Jahren der erfolgreichste Künstler in der Welt. Das fängt eigentlich schon im ersten Jahrzehnt an. Er wird schnell erfolgreich und in den 1920er-Jahren ist er der Superstar. Beckmann ist auch sehr erfolgreich. In den 1920er-Jahren ist er der bekannteste deutsche Künstler, hat einen Kunsthändler in New York, der ihn auch glänzend vertritt. Nur in Paris kommt er nicht an, weil die Franzosen ihn als zu schwer empfinden. Das wurmt Beckmann unglaublich. Er zieht extra nach Paris, um es den Franzosen und vor allem Picasso zu zeigen und scheitert.
Beckmann empfand Picasso als ständige Konkurrenz. Beide Künstler, auch wenn sie sich nie begegnet sind, hatten aber doch ein Repertoire mit künstlerischen Ausdrucksformen, die sich sehr ähnelten. Beispielsweise Landschaften, Stillleben oder die Selbstbildnisse. Woher kommt bei beiden Künstlern dieser ausgeprägte Hang zur Selbstdarstellung?
Spieler: Bei Beckmann, würde ich sagen, ist es immer sein Selbst, an dem er versucht, die Welt zu verstehen. Das ist nicht narzisstisch, sondern er ist immer der Mitleidende. An sich selbst kann er das Weltgeschehen, glaube ich, am besten verorten. Picasso stellt sich oft malend im Studio dar. Picasso ist eigentlich der erste Künstler, der ein richtig professionelles Marketing gemacht hat und sich fotografisch immer darstellt. Das ist auch für die Rezeption ganz wichtig gewesen. Picasso hat sich schon immer sehr körperlich präsentiert und damit seine Kunst auch immer in körperlichen Aktionen verortet, nicht nur intellektuell, sondern wirklich aus dem Machen heraus. Er lässt sich im Bademantel darstellen oder fotografisch in der Unterhose, es gibt auch ganz viele Bilder mit nacktem Oberkörper. Er rückt immer wieder seine Körperlichkeit in den Vordergrund.
Das Gespräch führte Claudia Christophersen.