Graffiti-Kunst im Wandel: Street-Art-Führungen in Oldenburg
Sechs junge Männer schauen teilweise spöttisch auf jemanden in ihrer Mitte. Die Köpfe sind um das Gesicht von Dieter Bohlen gruppiert. "Bohlens richtige Söhne" ist dieses Wandbild überschrieben. So hat sich eine Gruppe von Sprayern vor 19 Jahren im ersten riesigen Wandbild in Oldenburg verewigt, erzählt die Stadtführerin Tina Menke. Sie trägt eine Jeansjacke mit großen Farbklecksen. Ihre Arbeitskleidung, wenn sie hier mit ihren Street Art Touren beginnt.
Street-Art: Die Stadt neu entdecken
"Ich möchte, dass meine Besucherinnen und Besucher einen Überblick bekommen - das, was sie sowieso auf ihren alltäglichen Wegen kennen, zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkaufen, wahrnehmen und besser einordnen können", erzählt Menke. Zwei Touren sind im Angebot - eine mit dem Rad. Da werden 15 Kilometer zurückgelegt, in etwa zweieinhalb Stunden. Eine neue Tour geht zu Fuß an den Wandbildern, sogenannten Murals, vorbei - ein 90-Minuten-Rundgang. Die Bilder werden nicht bewertet. Martina Petzalis hat die Tour ins Leben gerufen, sie will die Vielfalt zeigen:
"Auf der ganzen Welt gibt es unheimlich viele Graffitis, viel Street-Art, und Oldenburg hat da auch eine ganze Menge zu bieten, sodass ich 2019 auf die Idee gekommen bin, mich einfach mal mit den Künstlern zusammenzusetzen und sie zu fragen, was sie davon halten, eine Stadtführung zu machen zu diesem Thema - ohne Wertung einfach zu zeigen, was unsere Stadt bietet", berichtet sie.
Street-Art kam als Subkultur nach Europa
Beispielsweise kann man ein großes Bild gegenüber vom Horst-Janssen Museum entdecken - weithin sichtbar für alle, die durch die Stadt fahren. Oder auch die lange Galerie von Murals am Bundesbahnweg die beim "Memur Urban Art Festival" entstanden ist. Künstlerinnen und Künstler wurden 2022 beauftragt, ihre Sicht auf die vergangenen zwölf Monate in Bilder zu fassen. Da geht es beispielsweise in einer wilden Konstruktion von ineinander verschwimmenden Linien und Geldscheinen um Inflation - oder in einem Bild von Affen, die mit roten Augen in den Himmel starren, um das James-Webb Weltraumteleskop.Tina Menke ist fasziniert von diesem Bilderreichtum:
"Es ist spannend, zu sehen, wie aus so einer Subkultur der 70er-, 80er-Jahre, was dann so über den großen Teich nach Europa und nach Deutschland gekommen ist, einfach inzwischen etwas geworden ist, was auch die breite Masse erreicht und einfach jeden von uns auch irgendwie anspricht", sagt sie. "Banksy hat mal gesagt, dass das im Grunde kostenlose Kunst für Jedermann sei, die zum Nachdenken anregt. Das finde ich einen sehr passenden Ausspruch."
Oldeburg: Viele Flächen für Graffiti-Kunst freigegeben
In Oldenburg gibt es vergleichbar viele Flächen, auf denen Graffitis und andere Street-Art erlaubt sind. Der Präventionsrat der Stadt hat vor sechs Jahren dafür gesorgt, dass zum Beispiel unter Autobahnbrücken in der Stadt das Spühen und Malen erlaubt ist. Mehr als 1.000 Quadratmeter sind da zusammengekommen. So soll auch Zerstörung vorbeugt werden, sagt Menke: "Wenn eine Fläche einfach schon von jemandem gestaltet ist, der einen größeren Fame hat in der Szene oder eine größere Bekanntheit, dann wird die in den seltensten Fällen von anderen Sprayern gecrosst."
Und tatsächlich, die ausgefeilten Wandbilder sind nicht mit schnellen illegalen Graffitis beschrieben. Viele Bilder verändern sich aber auch immer wieder. Mit den freigegebenen Flächen fördert die Stadt Jugendliche, erzählt Menke: "Workshops für Jugendliche, die dann einfach auch selber mal zur Dose greifen konnten. Das finde ich eine ganz tolle Initiative, da auch wirklich zur Kreativität anzuregen." Es ist eine Kunstform im ständigen Wandel - es lohnt sich also, mit aufmerksamem Blick durch Oldenburg zu radeln oder zu laufen.