Vergoldete Narben: Traumata heilen mit Fotografie
Narben von Verbrennungen oder Operationen werden von den Betroffenen oft als hässlich, manchmal sogar traumatisch empfunden. Die Fotografin Juliane Klüß aus Rostock setzt die vermeintlichen Makel bewusst in Szene.
Es wird ein besonderes Fotoshooting: Juliane Klüß bereitet ihr kleines Atelier in der Rostocker Innenstadt vor. Für die Aktion kramt sie glitzernd goldene Farbe und Puder aus der Schublade. Ihre heutige Kundin ist Doreen Bräun. Die Fotografin will deren Kaiserschnittnarben in den Fokus rücken. Denn sie selbst ist als Jugendliche bei der Explosion eines Heizkessels schwer verbrüht und verletzt worden.
Innere Heilung durch Goldfarbe auf Narben
Vor kurzem hat die Klüß eine überraschende Erfahrung gemacht: Das Hervorheben und symbolische Vergolden der Narben kann eine innere Heilung bewirken. "Das hat so viel Emotionen losgetreten. Ich habe den Pinsel gehalten und die Narben am Oberkörper wie auf einer Landkarte nachgezeichnet. Mit jedem Pinselstrich ist eine Emotion freigeworden. Ich habe viel geweint, aber es durfte alles da sein." Es sei sehr befreiend gewesen, erzählt Klüß.
Hadern mit den Kaiserschnittnarben
Um genau das auch anderen Menschen zu ermöglichen, bietet sie seit neuestem diese Fotoshootings an. Der vermeintliche Makel steht bei ihr im Mittelpunkt - verschönert mit goldener Farbe. "Sie hat das erzählt, dass sie diese Narbenfotografie neu für sich entdeckt hat und herausbringen möchte, dass sie das als heilsam erlebt hat", erzählt die Kundin Doreen Bräun. "Ich habe mich sofort angesprochen gefühlt, weil ich damit schon länger gehadert habe, ob ich etwas mache mit meinen Kaiserschnittnarben mache. Es sind ja zwei", so Bräun.
Beim Malen kommen Erinnerungen hoch
Zuerst malt die Kundin ihre Narben bewusst selbst an, schlicht oder mit Glitter - je nach Eingebung. Die Fotografin begleitet das und fängt alles mit der Kamera ein. "Da kommen die Erinnerungen hoch, das gehört dazu", erzählt Bräun. "Das ist die Narbe auch: Sie erinnert mich daran, dass es um mein Leben ging. Aber auch, dass dadurch zwei kleine Menschen auf die Welt geliebt wurden."
Ästhetische Fotos zum Hinhängen
Darauf folgt der künstlerische Teil. Beim eigentlichen Shooting hilft die Fotografin, die beste Pose zu finden. Sie positioniert die Kundin im richtigen Licht. Dann kommt der Moment, der für beide besonders spannend ist. Sie schauen auf dem Laptop, wie die Bilder wirken. "Es ist einmal die dokumentarische Seite, und dann das finale Foto, was ja ästhetisch sein soll", betont die Fotografin. "Mein Anspruch ist, dass die Person sich das auch im Nachgang anguckt, ausdruckt, hinhängt."
Die Kundin ist mit dem Shooting zufrieden. Es sei fast wie eine Meditation gewesen. "Ich merke, dass es ein sehr stiller Moment war, noch mal darüber nachzudenken, wie dankbar ich darüber bin, dass es gutgegangen ist. Das noch zu verinnerlichen, war das, was ich heute mitnehme."