"Überwunden": Lüneburger tätowiert über vernarbte Haut
Der Lüneburger Tattoo-Artist Daniel Bluebird hat sich auf Cover-ups von vernarbter Haut spezialisiert - und für ein Buch die Geschichten hinter den Tattoos gesammelt. Seine Geschichte erzählt er auch in der ARD Mediathek-Serie "Flaesh".
Daniel ist 35 und Tätowierer aus Lüneburg: "Ich habe mich verschrieben, über Narben Cover-ups zu tätowieren und damit den Träger*innen ein klein bisschen Wohlfühl- und Körpergefühl zurückzugeben." Die Tattoos geben den Menschen wieder mehr Selbstvertrauen. "Diese Tätowierung bedeutet für mich, dass ich tragen kann, was ich möchte, und dass Menschen auch auf diese Tattoos gucken können", sagt Daniels Kundin Corinna. "Vielleicht sehen sie Narben darunter, aber man sieht auch, dass ich da ein Riesenprojekt fertiggestellt habe. Das ist abgeschlossen - die Vergangenheit ist abgeschlossen. Das ist jetzt meine neue Haut."
Viele Tätowierer stechen nicht auf vernarbter Haut
Auf vernarbter Haut zu tätowieren, hat sich für Daniel eher zufällig ergeben. Er bekam eine Anfrage, hat das Ergebnis gepostet - und das kam gut an. Darauf folgten weitere Aufträge. "Bevor ich zu dir gekommen bin, habe ich von dem einen oder anderen Tätowierer oder einer Tätowiererin gehört, dass sie das nicht machen, mit den Tattoos auf Narben", sagt Corinna zu Daniel. Daniel erläutert: "Das mag auf technischer Ebene auch alles richtig sein, aber ist das dann Ausschlusskriterium dafür, dass man es überhaupt nicht macht? Das ist ja nur eine Informationssache. Das ist ja jedem Betroffenen oder jeder Betroffenen bewusst, dass da nicht zu 100 Prozent ein super Startpunkt für ein perfektes, superfiligranes, feinliniges Tattoo ist."
Die Narben stehen häufig für schwierige Zeiten, in denen sich die Menschen selbst verletzt haben. Das Tattoo kann bei der Aufarbeitung helfen, erzählt Daniel: "Da die Geschichten sehr eindrucksvoll sind, fand ich es immer ein bisschen schade, dass nur ich dasitze und mir das dann anhöre, aber diese Geschichten eigentlich viel mehr Gehör verdient haben."
"Überwunden" sammelt Geschichten hinter den Cover ups
Deswegen hat Daniel die Geschichten gesammelt - in einem Buch und in Kurzvideos. Der Titel des Projekts: "Überwunden". Dort erzählen Menschen ihre persönlichen Geschichten. Wie kam es zu den Narben? "Ich wurde gemobbt", erzählt Saskia vom "Überwunden"-Projekt. "Das ging dann auch irgendwann so weit, dass die mich auf dem Schulhof zusammengeschlagen haben. Zu der Zeit war ich auch ein bisschen fülliger. Dann fing das ursprünglich mit dem Essen an, dass ich nichts mehr gegessen habe, und dann ging das quasi in das selbstverletzende Verhalten über."
Bei Michael war der Auslöser eher Druck: "Immer leisten zu müssen, immer Vollgas geben zu müssen, immer der Beste sein zu müssen: Das ist mein innerer Richter gewesen, der immer größer und stärker geworden ist", schildert er. "Dann kam es irgendwann, dass ich abends nach Hause gefahren bin und mir überlegt habe: Was habe ich heute geleistet? War ich gut genug? Sehr häufig war die Antwort nein."
"Ich möchte eine Arbeit machen, die einen gewissen Wert hat"
"Ich bin relativ am Ende mit meiner Therapie", berichtet Carina vom "Überwunden"-Projekt. Im Rahmen der ARD Serie "Flaesh" noch einmal darüber zu sprechen, mit Leuten, die man eigentlich nicht kennt, und damit an die Öffentlichkeit zu gehen, sei ein Abschluss für sie
Historisch gesehen seien Tätowierungen Schmuck, erklärt Daniel: "In der heutigen Zeit ist es ein Abhol- und kurz bezahlter Artikel geworden. Der Wert hat sich da einfach verändert. Ich möchte gerne versuchen, weiterhin Arbeit zu machen, die einen gewissen Wert hat und vor allem für mich am Ende zu wissen, dass das, was ich da gemacht habe, in guten Händen ist."
Überwunden - Tattoos auf Narben der Vergangenheit
- Seitenzahl:
- 136 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- von Daniel Dreyer, Kai-Hendrik Schroeder, Daniel Bauermeister, Sabrina Peters und Christian Verch
- Verlag:
- TEXT DA*
- Veröffentlichungsdatum:
- 08. März 2023
- Bestellnummer:
- 978-3-00-074343-6
- Preis:
- 30 €