"Aktionswoche Alkohol": Nüchtern durch den Rauschbrillen-Parcours
Mit einem Sekt anstoßen, das Feierabendbier oder der Absacker nach dem Essen - die Liste ist lang. Doch wem schadet der Drink? Unter diesem Motto ist die bundesweite Aktionswoche Alkohol 2024 gestartet.
1,3 Millionen Menschen in Deutschland gelten als alkoholabhängig, quer durch alle Gesellschaftsschichten. Für einige gehört das Feierabend-Bierchen zum Alltag. Doch wird oft unterschätzt, was Alkohol für Auswirkungen auf den Körper hat. Durchschnittlich werden pro Kopf jährlich rund zehn Liter reinen Alkohols konsumiert. Passend zum Start der Aktionswoche Alkohol kann im Jupiter an der Mönckebergstraße (ehemaliges Kaufhaus Karstadt-Sport) in Hamburg jede und jeder den Test machen.
Bei einem Rauschbrillenparcours gibt es unterschiedliche Brillen mit verschiedenen Rauschzuständen, die man ausprobieren kann. Wie wirken sich zum Beispiel 1,3 Promille auf unsere Wahrnehmung aus? Der 17-Jährige Timo probiert es aus und ist überrascht: "Es ist spannend. Ich kann noch ein bisschen Personen erkennen aber kaum noch meine Umgebung." Für den Schüler ist das Gehen mit der Rauschbrille eine große Herausforderung. Schwankend läuft er von einer Säule im Raum zur anderen. Versucht mit seinen Armen das Gleichgewicht zu halten. "Ist schon erstaunlich, dass jetzt mal im nüchternen Zustand zu sehen und gerade, wenn man dann überlegt, dass Leute damit auch noch Auto fahren, sehr beunruhigend."
Alkohol-Abhängigkeit ist kein Randphänom
Probleme bei der Koordination sind aber nur eine von vielen Nebenwirkungen. Die bundesweite Aktionswoche Alkohol will genau auf diese aufmerksam machen und für einen reflektierten Umgang mit Alkohol sensibilisieren. Dafür gibt es eine Woche lang viele Events mit Live-Musik, Filmen und Seminaren. Sowie klaren Forderungen, die Projektkoordinator der Aktionswoche Thomas Kucza erklärt: "Unserer Meinung nach ist es nötig, dass vor allem Alkoholwerbung stark reglementiert wird. Dass darauf geachtet wird, dass der Alkoholpreis dementsprechend angezogen wird. Man kann Alkohol an jeder Ecke extrem günstig kaufen. Man kann Alkohol zum Beispiel an der Tankstelle kaufen, was sich für mich persönlich überhaupt nicht erschließt. Das sind so Maßnahmen, wo wir auch an die Politik appellieren, dass das quasi Stellschrauben sind an denen gedreht wird."
Für das Auftaktevent wurde bewusst das Kulturkaufhaus Jupiter mitten in der Hamburger Innenstadt gewählt. Ziel sei es zu zeigen, dass Abhängigkeiten kein Randphänomen sind, sondern in der Mitte der Gesellschaft verhandelt werden müssen.
Offener Umgang mit Alkohol-Krankheit bei Autorin Gaby Guzek
Das ist auch Schriftstellerin Gaby Guzek ein Anliegen. Die 56-Jährige war selbst zwanzig Jahre alkoholsüchtig und hat darüber ein Buch geschrieben: "Die Suchtlüge". Im Kunstkaufhaus Jupiter spricht sie ganz offen über ihren Alkoholismus. Sie brauche den Rauschbrillenparcours nicht absolvieren. 20 Jahre lang habe sie tagtäglich eine solche "Brille" getragen. "Mein Weg raus aus dem Alkohol begann mit einer tiefen Recherche, was eben Sucht ist", erzählt die Autorin.
"Und weil ich mich dadurch eben von der Schuld und der Scham befreit habe, weil ich verstanden habe, was da in meinem Kopf los ist, macht es mir auch nichts aus mich öffentlich hinzustellen und zu sagen 'Ich war abhängig', weil auch jemand der sich den Fuß gebrochen hat, der schämt sich ja auch nicht. Für mich ist das Thema durch. Und ich merke, je häufiger ich auftrete, desto dankbarer sind die Leute dafür", so Gaby Guzek. Eineinhalb Stunden spricht sie mit den Besucherinnen und Besuchern. Die Schriftstellerin will damit auch junge Menschen wie Timo erreichen, um mehr Aufklärung und Verständnis für die Suchtkrankheit zu bewirken.