Die Schrecken der Welt durch die Linse: Sebastião Salgado wird 80
Sebastião Salgados Bilder sind Ikonen der Fotografie. Mit seiner Kamera machte der Brasilianer auf Mord, Zerstörung, Hass und Gier aufmerksam. Am 8. Februar ist der nimmermüde Mahner 80 Jahre alt geworden.
Das Land war nur noch eine staubige Steppe, von den Vögeln, den Alligatoren, den majestätischen Wäldern und all den Wundern, die sie in Sebastiãos Jugend belebt hatten, war nichts übrig. Zitat aus "Das Salz der Erde" von Wim Wenders
So beschreibt Wim Wenders im Film "Das Salz der Erde" den Moment, als Sebastião Salgado nach Jahrzehnten zum Landgut seiner Familie zurückkehrt. Unkontrollierte Abholzung hat die Gegend im Bundesstaat Minas Gerais, die er als Kind noch als üppigen Regenwald kennengelernt hatte, in eine kaputte, von Erosion zerstörte Steppe verwandelt. Das Bild der Ödnis und Verwüstung ist gleichzeitig auch eine Metapher für Salgados eigenen Zustand, damals Mitte der 1990er-Jahre. Das, was ihn ausmachte, sein Leben prägte und ihn in der ganzen Welt berühmt gemacht hatte, genau das drohte ihn damals innerlich kaputtzumachen.
Salgado nutzt Fotografie als Sprache
"Für mich ist Fotografie eine Lebensart, in der meine Sprache die Fotografie ist. Egal, ob ich etwas wunderschön oder völlig zerstört vorfinde. Egal, ob es mich begeistert oder entsetzt," erklärte der Brasilianer einst. Sebastião Salgado, der eigentlich Wirtschaftswissenschaften studiert hatte und später vor der Militärdiktatur in Brasilien nach Paris floh, kam eher zufällig zur Fotografie. Sein außergewöhnlicher Blick für Licht und Schatten machte ihn berühmt. Es entstanden bewegende Schwarz-Weiß-Bilder, zunächst aus Afrika, dann auch aus Europa und Lateinamerika. Viele Tausende Kilometer reiste er, hielt mit seiner Kamera auch fest, was niemand sehen will oder sehen kann. Bilder der Opfer des Völkermords in Ruanda, Hungertote der Sahel-Zone, Goldsucher, die sich zu Tausenden in einer verdreckten Mine im Amazonas drängen.
Kritik: Elend für Fotos instrumentalisiert?
Das brachte ihm auch Kritik ein. Der Sozialfotograf, der das Elend der Leidenden für seine Bilder instrumentalisiere, "Die moralische Frage kann nicht sein, ob man katastrophale Zustände zeigen darf oder nicht. Ich glaube, wir müssen sie zeigen. Die Menschen müssen begreifen, was passiert. Jeder muss betroffen sein und die Möglichkeit bekommen, etwas zu ändern oder nicht. Es geht nicht um die Frage, ob man solche Fotos macht oder nicht. Die Bilder sind harmlos im Vergleich zur Realität", findet Salgado.
Rückkehr auf Farm seiner Kindheit in Brasilien
Doch irgendwann schaffte er es selbst nicht mehr, das Gesehene zu verarbeiten. Salgado wurde krank, sein Körper sagte Stopp. "Wir Menschen sind ausgesprochen wilde Tiere, furchtbare Tiere. Unsere Geschichte ist eine Geschichte von Kriegen ohne Ende", so sein Eindruck. Kraft und Hoffnung fand er wieder in der Natur. Gemeinsam mit seiner Frau Lélia kehrte er zurück auf die Farm seiner Kindheit in Brasilien. Sie begannen, gemeinsam auf dem öden Land wieder Wald zu pflanzen. "Es ist eine Freude zu sehen, wie alle Pflanzenarten zurückkommen, und Tiere, von denen wir glaubten, sie seien in unserer Gegend für immer ausgestorben. Für uns ist dieser Wald ein Heiligtum", so Salgado.
"Amazônia": Hommage und Mahnung an die Menschheit
Ein Neuanfang auch für seine Fotografie. Zuerst schuf er mit dem Projekt "Genesis", die Schöpfung einen Gegenentwurf zu Krieg und Zerstörung. Es folgte "Amazônia", eine eindrucksvolle Hommage an die Schönheit der grünen Lunge der Erde und die indigenen Völker, die sie bewahren. Zugleich sind diese Bilder auch Warnung und Mahnungen an die Menschheit, diese Welt nicht zu zerstören.