Käthe Buchler - Pionierin der sozial-dokumentarischen Fotografie
Käthe Buchler fotografierte während des 1. Weltkriegs in sozialen Milieus, die eher selten abgebildet wurden: Frauen in Männerberufen, Soldaten im Lazarett, Menschen in Armenhäusern. Ihr Nachlass liegt im Museum für Photographie Braunschweig, wo ihre Fotos im Sommer in einer Ausstellung zu sehen sein werden.
In flachen Schubladen, sorgfältig eingeschlagen in Pergamin, lagern die Ausstellungs-Abzüge von Glasnegativen der Fotografin Käthe Buchler. Hunderte solcher Schwarz-Weiß-Bilder liegen archiviert in Planschränken aus Blech im Magazin des Museums für Photographie in Braunschweig.
"Hier haben wir zum Beispiel einen Abzug aus der Werkgruppe 'Frauen in Männerberufen'." Vorsichtig nimmt Museumsdirektorin Barbara Hofmann-Johnson eine Fotografie aus der Papier-Hülle. Auf dem Bild zu sehen: zwei junge Frauen mit Eisenbahnermützen vor einem Waggon. Die beiden Schaffnerinnen blicken freundlich in die Kamera. Eine trägt einen etwas zu großen, schweren Mantel mit Fellkragen - augenscheinlich für einen Mann geschneidert.
Hobby-Fotografin Käthe Buchler zog mit der Kamera durch Braunschweig, um Frauen zu porträtieren, die für die fehlenden Männer einspringen mussten: "Frauen, die die Berufe übernommen haben, welche die Männer sonst ausgeführt haben. Die an der Front waren im ersten Weltkrieg. Käthe Buchler hat dies mit einer großen, auch bildnerischen Sensibilität aufgenommen. Sie hat die Frauen immer wieder beobachtet und porträtiert, die Briefe ausgetragen haben, oder die Milchkutscherinnen wurden, oder Fensterputzerinnen", berichtet Barbara Hofmann-Johnson.
Unverstellte Fotos der gesellschaftlichen Gegebenheiten
Buchler fotografierte verwundete Soldaten in überfüllten Kliniksälen, Männer, die in der Lazarettstadt Braunschweig zu Hunderten am Bahnhof ankamen. Sie ging in Armenhäuser und Kinderheime der Stadt und lichtete die gesellschaftlichen Gegebenheiten ab - unverstellt, so wie sie eben waren. "Immer mit einem sehr menschlich-warmen Blick. Und gleichzeitig aber auch mit einem absolut feinsinnigen Gefühl für die Fotografie. Man sieht immer wieder bei dieser Fotografin, wie ein zwischenmenschlicher Austausch zwischen ihr und den Fotografierten bestand", beschreibt Hofmann-Johnson die Herangehensweise von Käthe Buchler.
Parallelen zwischen Käthe Buchler und Sebastião Salgado
Rund 1.000 Fotografien - darunter auch gemäldeartige, farbige Stillleben und viele Fotografien aus dem Privatleben - hinterließ die ambitionierte Amateurfotografin Käthe Buchler. Der Nachlass der Industriellentochter, die 1930 starb, wird gerade im Museum für Photographie in Braunschweig abschließend digitalisiert und inventarisiert. Das Museum, gegründet 1984, lotet seit 40 Jahren die verschiedenen Darstellungsformen der Fotografie des 20. und 21. Jahrhunderts aus. Eine wichtige Form ist die sozialdokumentarische Fotografie. Dazu zählen neben den Arbeiten Käthe Buchlers auch die Fotografien Sebastião Salgados. Auch er war im Museum für Photographie in Braunschweig bereits zu sehen.
"Salgado wurde gezeigt. Dann wurde Chris Killip gezeigt. Da gab es früh Ausstellungen auch zum Werk von Robert Lebeck. Gordon Parks. Es wurde Louis Hein gezeigt. Dann regelmäßig Dokumentarfotografieförderpreise der Wüstenrotstiftung", zählt Barbara Hofmann-Johnson die Braunschweiger Ausstellungen über Dokumentarfotografie auf. Käthe Buchler und Sebastião Salgado sind sich laut Direktorin Hoffmann-Johnson bei aller Verschiedenheit der Ästhetik und der Motive durchaus ähnlich. Auch, wenn Salgado oft großformatig arbeite, Buchler dies nicht getan habe - Salgados Arbeiten pathetischer, und Buchler dezenter gewesen seien. Was sie aber eint, findet die Museumsdirektorin, sei der respektvolle Blick auf die fotografierten Menschen, die jeweils aus Milieus stammten, die von Mühsal und Ausbeutung gekennzeichnet sind.
Ausstellung "Erinnerungsbilder" mit Buchler und Salgado
In diesem Jahr feiert das Museum für Photographie in Braunschweig seinen 40. Geburtstag. Mehrere Jubiläumsausstellungen sind im Laufe dieses Jahres geplant. Als Teil einer Ausstellung im Sommer wird neben Käthe Buchler auch Sebastião Salgado wieder zu sehen sein, sagt Museumsleiterin Hofmann-Johnson: "Die Ausstellung heißt 'Erinnerungsbilder'. Innerhalb dieser Ausstellung werden Bezüge hergestellt zwischen den bisher gezeigten Fotografinnen und Fotografen und deren Arbeiten. Und da gehört ganz sicherlich dieses Themenfeld der sozialdokumentarischen Fotografie dazu - und dass man ihn da einbezieht, das liegt nah."