"Inkulinati": Videospiel mit mittelalterlicher Originalvorlage
Das rundenbasierte Videospiel "Inkulinati" verbindet zeichnerische Qualität und komplexe Taktik mit dem erfrischenden Humor fantastischer mittelalterlicher Figuren. Es ist für PC und alle Videospielkonsolen erschienen und kostet 25 Euro.
"Yippieh!": So freut sich der Schwerthase, wenn er einen der feuerfurzenden Teufel des gegnerischen Teams geschlagen hat. Im Spiel "Inkulinati" tritt ein wilder Reigen solcher fantastischer Tierwesen und Dämonen auf, die alle direkt aus mittelalterlichen Manuskripten gesprungen zu sein scheinen: Da gibt es Hunde mit Speeren, menschenfressende Schnecken, das Hühnerwesen mit einer Axt anstatt eines Kopfes oder die Katze mit bischöflicher Mitra.
Bewaffnete Hasen als Symbol für eine verkehrte Weltordnung
"Inkulinati" ist ein rundenbasiertes Taktikspiel: Die Gegner ziehen abwechselnd, bis eine Seite alle ihre Figuren verloren hat. Mechanisch ist das Spiel geprägt durch ein komplexes Schere-Stein-Papier-System, das heißt: Bestimmte Figuren sind manchen Gegnern gegenüber schwach, anderen gegenüber stark.
Neben strategischer Knobelei verzaubert "Inkulinati" vor allem durch seinen Look und den bunten Reigen mittelalterlicher Figuren. "Da gibt es eine ganz große handschriftliche Tradition. Darstellungen von bewaffneten Hasen sind sehr verbreitet", erklärt Björn Reich, Mediävist an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. "Eigentlich ist der Hase das schwache Tier, das vom Jäger gejagt wird. In diesen Abbildungen ist er oft ein Symbol für die verkehrte Weltordnung, dass alles irgendwie falsch und unrichtig ist."
Kirchen und Klöster als Orte der Spielentwicklung
Tatsächlich ließ sich das Entwicklerteam von "Inkulinati" inspirieren von Marginalien, den Randkritzeleien in Büchern des 12. bis 14. Jahrhunderts. Das waren oft Textnotizen, aber auch kunstfertige Zeichnungen, die die Freude am Seltsamen feiern. Das widerspricht der Vorstellung eines dunklen Zeitalters, in dem Lachen verboten war, wie es etwa "Der Name der Rose" prägte. "Gerade die Kirchen und Klöster waren Orte der Spielentwicklung: Das waren immer auch Orte der Freude und nicht nur des reinen Ernstes. Es ist keineswegs so, dass die Kirche humorfeindlich gewesen ist. Es gab aber sicherlich einzelne Theologen, die das waren", sagt Björn Reich.
Mittelalterlicher Humor neigte eher zur Groteske als zur Pointe. So geht es in "Inkulinati" tendenziell krachledern zu: Vor allem wird sehr viel gepupst - Feuer oder Gift, mal durch Trompeten, mal aus dem nackten Hinterteil. Man spürt aber durch diese rustikalen Bilder, wie viel Spaß die meist mönchischen Zeichner dabei gehabt haben mussten.
"Inkulinati": Videospiel mit historischer Korrektheit
Die ganze Pupserei ist historisch korrekt, denn das kleine polnische Spielentwicklungsteam legte großen Wert darauf, dass alle im Spiel benutzen Figuren eine Originalvorlage haben. Von diesem Original weichen die Spielfiguren erstaunlich wenig ab. Eine Quelle war besonders prägend für "Inkulinati": ein liturgisches Prachtmanuskript des Bischofs Renaud de Bar aus dem frühen 14. Jahrhundert.
Auf der Webseite eines Museums in Cambridge kann man das Buch als sehr hochauflösenden Scan komplett betrachten und erkennt: Die bewaffneten Hasen gleichen denen im Spiel bis aufs Haar - oder Ohr. "Das ist eindeutig ein Schmuckelement. Das ist nicht von irgendjemandem hingekritzelt oder von irgendeinem Illustrator, dem langweilig war, dahin gemalt worden. Das sind sehr genau ausgeführte Sachen. Die sind sehr kunstvoll und bunt, das heißt: sehr teuer, weil man diese Tinten und Stoffe bezahlen muss."
Eine solche zeichnerische Qualität zeichnet auch "Inkulinati" aus - und zwar nicht nur optisch, sondern auch spielmechanisch: Die Motive des Schreibens und Malens, des Federkiels und der Tinte durchziehen das ganze Spiel. "Inkulinati" verbindet so komplexe Taktik-Miniaturen mit dem erfrischenden Humor, den die fantastischen mittelalterlichen Figuren vermitteln.