Protestierende hocken vor einem mit Essen beworfenen Bild in einem Museum. © Letzte Generation/AP, picture-alliance Foto: Letzte Generation/AP

Glosse: Essen gegen Kunst – eine museale Betrachtung

Stand: 25.10.2022 16:35 Uhr

Kunstwerke mit Lebensmitteln zu bewerfen, das leuchtet vielen so gar nicht ein als Aktion zur Rettung des Klimas. Eine Glosse über die Parallelen von Kunst und Kulinarik und das Vorgehen der Aktivistinnen und Aktivisten.

von Ocke Bandixen

Also, wie sind die vorgegangen, die, die auf die Kunstwerke Lebensmittel geworfen haben: Tomatensuppe gegen Sonnenblumen von van Gogh. Kartoffelbrei gegen Heuschober von Monet. Wie wurde da eigentlich ausgewählt? Haben die Aktivisten über den Kontrast nachgedacht? Oder über die thematische Nähe?

Farbe und Material der Wurfgeschosse bitte passend zum Kunstwerk wählen

Grünkohl gegen Sitzender Akt – geht vermutlich. Wintergemüse, geschmort, gegen Worpsweder Winterlandschaft – funktioniert nicht so, weil beides teilweise dunkelgrün ist. Oder wurde das zu werfende Objekt an das Material des Kunstwerkes angepasst? Hat die Auswahl nicht auch schon etwas Künstlerisches – ohne die Tat hier irgendwie gutzuheißen? Öl auf Öl. Wasser auf Wasserfarben. Wer hat Angst vor Rot, Eigelb, Blau?

Vielleicht entstehen durch die Angriffe ja "neue" Kunstwerke

Aufpassen müsste man ja, dass das essbare Wurfgeschoss nicht sofort als Teil der Kunst wahrgenommen wird. Das Mädchen mit dem Perlhuhnohring, Jüngling mit Blumenkohl im Haar. Das kann ganz schnell gehen. Man könnte es nutzen, von Museumsseite aus: ein neues Schild neben das Bild. Und schon ist es nicht mehr Protest, sondern wieder Kunst. Besucher glauben ja so viel, was so an der Wand neben einem Bild steht. Ist ja Kunst. Kann doch sein. Denkbar wäre zum Beispiel ein berühmtes Triptychon: Die Jünger auf dem Weg zum Mahle. Die Jungfrau im Reisrand. Und, natürlich, Christus, auf Beerenmus blickend.

Protestierende hocken vor einemmit Essen beworfenen Bild in einem Museum. © Picture Alliance, Just Stop Oil Foto: Just Stop Oil
Gut abgestimmte Farbgebung zwischen Wurfgeschoss und Kunstwerk - und der pinke Haartupfer macht aus dem Gesamtbild schon fast Pop Art

Bilder mit Gerichten oder Gelagen gibt es ja schon lange: Die Bauernhochzeit, Pieter Breughel der Ältere. Das letzte Abendmahl, Leonardo da Vinci. Stillleben mit Früchten auf Porzellan, Jacob van Es. Stillleben mit Obstschale, Paul Cezanne. Die Kartoffelesser, Vincent van Gogh.

Wir sehen, es bleibt schwierig. Was haben wir zu erwarten? Damit es weiter aufsehenerregend bleibt? Reisbrei gegen Richter, Cappuchino gegen Kokoschka, Milchreis gegen röhrenden Hirsch, Maler unbekannt.

Ein neues Bild ist unterdessen längst entstanden, und sei es nur als medial verbreitete Momentaufnahme. Ein Bildnis des Künstlers als junger, mit Essen werfender Klimaaktivist.

Weitere Informationen
Klimaaktivisten der Klimaschutz-Protestgruppe "Letzte Generation", nachdem sie das Gemälde "Getreideschober" (1890) von Claude Monet im Potsdamer Museum Barberini mit Kartoffelbrei beworfen haben. © picture alliance/dpa/Letzte Generation/AP

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 25.10.2022 | 14:13 Uhr

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