"Dörfer zeigen Kunst": Kulturspektakel auf dem Land
Unter dem Motto "Dörfer zeigen Kunst" verwandeln sich 18 Dörfer in Schleswig-Holstein zu Galerien für Kunsthandwerker, Bildhauer und Maler. Es gibt Lesungen, Konzerte und ein breitgefächertes Kulturprogramm.
Zwei ausrangierte Schaufensterpuppen sitzen sich auf Plastikstühlen gegenüber - mitten auf einem Müllberg. Schräg darüber stapeln sich alte Ölfässer und noch etwas weiter oben, befestigt an einem Stahlgerüst, prangt ein Flugzeug aus Metall: Das alles wurde installiert an einem elf Meter hohen Turm, der sich funkelnd in den blauen Himmel streckt. Ganz oben auf der Spitze thront eine menschliche Figur und glitzert golden in der Sonne. "Der steht da oben auf einer goldenen Leiter auf Zehenspitzen und reckt sich nach oben. Das soll ein Maßstab sein. Der vermisst den Himmel. Da haben wir dann gesagt: Das ist ganz schön vermessen - wie größenwahnsinnig sind wir eigentlich und was setzen wir dabei aufs Spiel? Das haben wir uns gefragt", erklärt Künstler Christof Müller.
Kritik durch Kunst
"Turmbau zu B" nennen er und seine Kolleginnen aus Buchholz diese Installation. Sie liegt direkt am Westufer des Ratzeburger Sees. "Da gibt es Wirtschaftswachstum, Globalisierung. Das ging immer weiter, immer höher, immer schneller, immer besser - bis heute. Das haben wir uns zum Thema genommen, und zwar sehr kritisch. Das wollten wir künstlerisch darstellen", sagt Müller. Seit vier Jahren arbeiten sie schon an diesem Turm, haben sich bis zu 500 Mal getroffen und ihre Ideen ausgetauscht. "Immer wieder ist etwas Neues dabei rausgekommen", erzählt Elsbeth Buchfeld. "Dieses Jahr ist der Müll, der hier auf der Wand ist, vergoldet worden und zeigt den Reichtum, den Wohlstand, den wir in einigen Ländern hier auf der Erde haben. Gold findet jeder schön - das glitzert, das mag jeder, aber letztendlich bleibt der Müll, der Dreck, darunter."
Kunstprogramm im Schleswig-Holsteinischen Binnenland
Das begehbare Kunstwerk steht auf der Wiese von Landwirt Andreas Löding. Direkt daneben pflücken Besucher gerade frische Himbeeren. Viele sitzen auch im Garten, blicken auf den Ratzeburger See und lassen es sich gut gehen. Neben der Landwirtschaft betreiben sie hier ein Hofcafé. "Der Kunstturm lockt ganz andere Besucher an. Das ist auch für uns interessant", sagt Andreas Löding. "Wir sind hier im Binnenland Schleswig-Holsteins immer ein bisschen im Schatten der Ostsee, aber wir haben so viel zu bieten."
Davon ist auch Künstlerin Sabine Burmester überzeugt: "Das ist eine kostenlose Kunstführung, die wir hier machen. Wir haben Workshops mit Jugendlichen und Leute werden an die Kunst gebracht, ohne darüber nachzudenken."
"Dörfer zeigen Kunst" bringt Kunstschaffende und -interessierte zusammen
Die Dörfer kennenlernen, sich vernetzen, ins Gespräch kommen - das ist das Ziel der Aktion "Dörfer zeigen Kunst". Elf Kilometer entfernt im Lauenburgischen Ziethen werden schon die ersten Bilder verkauft. "Man trifft die Künstler. Das ist immer sehr interessant, wenn die Malerinnen und Maler vor Ort sind und man Fragen stellen kann", findet eine Besucherin.
"Es ist schön, wenn Menschen das, was man zu Hause im Atelier produziert hat, sehen", sagt Künstlerin Barbara Ast. "Ich brauche die Resonanz. Ich brauche Ermutigung, Lob, auch Tadel, wenn jemand sagt: Das gefällt mir gar nicht. Mit Menschen darüber zu reden, ist sehr wichtig." Zusammen mit neun weiteren Hobbykünstlerinnen stellt Barbara Ast in der reetgedeckten Pfarrscheune des Dorfes ihre Werke aus. "Wir sind schon von Anfang an mit dabei. 20 Jahre ist das jetzt her", erinnert sich Leiterin Gerda Brüggemann. "Es macht einfach Spaß, das Feedback zu bekommen, dass die Bilder gefallen, dass wir uns jedes Jahr verbessert haben - mehr oder weniger. Das ist ein Ansporn weiterzumachen." Von der Wakenitz-Niederung über den Ratzeburger See bis zur Schaalseeregionzeigen 18 Dörfer noch bis zum 11. August ihre Kunst.