Nicht nur lässig und cool: Kleine Kulturgeschichte der Sonnenbrille
Ob sportliche Pilotenform, Flower-Power-Nickelrund oder überdimensioniert groß, die Sonnenbrille bietet Lichtschutz, ist Modeaccessoire und Markenzeichen - eine Hommage zum "Tag der Sonnenbrille".
"Es sind 106 Meilen bis Chicago, wir haben genug Benzin im Tank, ein halbes Päckchen Zigaretten, es ist dunkel und wir tragen Sonnenbrillen", hieß es im Film "Blues Brothers". Mehr Lässigkeit und Coolness geht kaum. Ein Satz für die Filmgeschichte, ein Satz, der die Sonnenbrille endgültig zum Kultobjekt und Verkaufsschlager machte. Dan Aykroyd und James Belushi fassen es 1980 in "Blues Brothers" so zusammen: "Wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs." Unterwegs waren sie dann indirekt auch im Auftrag der Sonnenbrillen-Industrie. Noch sechs Jahre nach dem Filmstart wurde das Blues Brothers-Brillenmodell "Wayfarer" 1,5 Millionen Mal verkauft.
"Aviator"- von der Schutzbrille zum Accessoire
Ein anderes legendäres Sonnenbrillen-Modelle bis heute - die "Aviator"-Brille, die Ende der 30er-Jahre auf den Markt kam - Winston Churchill hatte eine, Präsident Eisenhower ebenso. Die "Aviator" war die offizielle Brille der US-Fliegerstaffeln - und durch sie fand die Sonnenbrille auch Ende des Zweiten Weltkriegs ihren Weg nach Deutschland. "Sie wurde zum Prototypen des amerikanischen Traums - cool, dynamisch und zunächst noch exklusiv", schreibt Karin Hartewig in ihrem Buch "Der verhüllte Blick. Kleine Kulturgeschichte der Sonnenbrille". "Über die Identifikation mit solchen Figuren - mit den Fliegern, mit den Flieger-Assen - fand die Sonnenbrille, die immer noch zunächst eine Schutzbrille war, auch Eingang in das bewundernde, breitere Publikum", erzählt sie.
"I wear my sunglasses at night", singt Corey Hart. Der Sänger nahm diesen Song in einem Studio auf, in dem die Klimaanlage besonders stark pustete - und Musiker und Techniker zum Schutz davor Tag und Nacht Sonnenbrillen trugen. Überhaupt war die Sonnenbrille genau deswegen entstanden - als Schutz vor Licht, Wind und Staub. Dass grelles Sonnenlicht nicht gut für die Augen ist, ahnte bereits der römische Kaiser Nero. Gladiatorenkämpfe soll er daher durch einen grünen Smaragd betrachtet haben. Auch die Inuit hatten bald eine "Schneebrille" gegen Reflexionen der Sonne erfunden - sie raspelten Schlitze in Seehundknochen.
Die Eisenbahn als Anschub für das Accessoire
In Europa sorgte der Schienenverkehr - anstelle der Pferdekutschen - für den Durchbruch der Sonnenbrille. Die Reisenden begannen, ihre Augen mit Eisenbahnschutzbrillen zu verhüllen. Bis heute ist der Schutz der Augen immer noch ein Grund zur Sonnenbrille zu greifen, z.B. für U2-Sänger Bono, der nicht mehr ohne sie leben kann. Er berichtete in mehreren Interviews, dass er Grünen Star habe und Sonnenbrille trage, um seine lichtempfindlichen Augen zu schützen. Und auch Heino setzt sein Markenzeichen auf, um seine wegen der Schilddrüsenkrankheit "Morbus Basedow" hervorstehenden Augen zu verbergen.
Sonnenbrille als Mittel zur Selbstinszenierung
Mittlerweile dient die Sonnenbrille aber längst nicht nur dem Schutz, sondern ist laut Historikerin Hartewig ein klassisches Mittel, nicht nur der Verhüllung, sondern auch der Selbstinszenierung. "Man trägt Sonnenbrillen, um Emotionen zu verbergen, um cool zu sein, um Gefühle zurückzunehmen, distanziert zu wirken, auch das ist mit der Sonnenbrille bestens auszudrücken", sagt sie. Deshalb tragen Hollywood-Stars vor allem aus Imagegründen und wegen des Coolness-Faktors die getönten Brillen. Ob nun James Bond, die "Men in Black", die Helden in "Matrix", Arnold Schwarzenegger als "Terminator" oder Clint Eastwood als "Dirty Harry".
Und deswegen wollen wir Alltagshelden diesen Klassiker der Verhüllung und Selbstinszenierung auch tragen. Denn auch wir wollen so cool aussehen wie unsere Film- und Musikidole: Elton John trägt Sonnenbrille - gefedert oder mit Bergkristallen besetzt -, der späte Udo Lindenberg oder Sänger und Rapper Jan Delay, der mittlerweile ein eigenes Sonnenbrillen-Modell designen durfte. Im Song "Ahnma" singt er: "Der Veteran von der Reeperbahn, hab Hamburg hinter mir, als wär ich Uwe Seeler, Mann. Und die Sonnenbrille, sie ist am Start, Baby, sie ist der letzte Rest Privatsphäre." Ja, das mit der Privatsphäre ist für viele Stars und Sternchen natürlich auch Grund zum Aufsetzen.
"Ohne sie bin ich einfach nur ein fetter Sechzigjähriger"
Die Sonnenbrille hält Paparazzi auf Distanz und demonstriert Macht über andere. Weswegen wohl auch einige Despoten und Diktatoren nicht auf die dunklen Gläser verzichten wollten, wie Idi Amin, Kim Jong Il oder der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi. Marilyn Monroe machte Werbung für sie, Peggy Guggenheim hat sie gesammelt, Joschka Fischer führte sie im Bundestag ein und Jack Nicholson drückte es vor ein paar Jahren mal so aus: "Wenn ich meine Sonnenbrille trage, bin ich Jack Nicholson - ohne sie bin ich einfach nur ein fetter Sechzigjähriger."